Granitwerke Antonini
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Die Granitwerke Antonini waren ein Steinbruchbetrieb und Baustoffhersteller mit einer eigenen Bildhauerwerkstatt in Riviera TI im Schweizer Kanton Tessin. Das Unternehmen bestand unter verschiedenen Bezeichnungen vom 19. Jahrhundert bis 2015 und lieferte Baustein und fertige Architekturelemente für zahlreiche Bauwerke in der Schweiz und in anderen Ländern. Im Auftrag und nach Entwürfen bedeutender Künstler stellte es Werke aus Naturstein her.
Geschichte
Der Steinhauer Michele Antonini (1843–1911) aus Arcisate in der italienischen Provinz Varese arbeitete in den 1860er Jahren in einem Steinhauerbetrieb in Bremgarten im Schweizer Kanton Aargau und übernahm 1865 die Leitung der Werkstätte, die damals als eine der ersten in der Deutschschweiz und besonders im Reussgebiet Findlinge abbaute. Während der Bauarbeiten an der Gotthardbahn, für deren Kunstbauten und Bahnhöfe eine grosse Menge Naturstein benötigt wurde, verlegte Michele Antonini den Steinhauerbetrieb nach Arth im Kanton Schwyz und um 1880 nach Wassen im Kanton Uri, wo er für den Steinbedarf des Bahnbaus einen Steinbruch eröffnete.[1] An den Talflanken bei Wassen ließ sich der anstehende sehr harte Aaregranit gut abbauen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wählten die Bürger von Wassen den erfolgreichen Unternehmer zum Ehrenbürger der Gemeinde. Michele Antonini konnte sich auch Abbaurechte in einem Steinbruch bei Göschenen, nahe beim Nordportal des Gotthardtunnels sowie südlich des Gotthardmassivs an einem direkt neben der neuen Bahnlinie gelegenen Felsmassiv aus Granit und Gneis bei Cresciano in der Leventina sichern. 1897 verlegte Michele junior (* 1877), der Sohn von Michele Antonini, den Geschäftssitz des Steinhauerbetriebs nach Cresciano und zog selbst in die nahe Stadt Bellinzona. Das Unternehmen beschäftigte im späten 19. Jahrhundert mehr als 400 Arbeiter.
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Unter der Leitung von drei Kindern von Michele junior Antonini, Luigi, Roberto und Lucia, produzierte das Granitwerk unter anderem Bauteile für das Bundeshaus in Bern, für das Schweizerische Bundesgericht in Lausanne, für das Geschäftshaus Claridenhof in Zürich, für zahlreiche Bahnhöfe der SBB und viele Bahn- und Strassenbrücken wie die Dreirosenbrücke und die Mittlere Brücke in Basel[2] sowie im Ausland zum Beispiel für die Fassade der Banca Commerciale Italiana an der Piazza della Scala in Mailand. Daneben belieferte das Unternehmen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter anderem auch viele Strassenbaustellen mit den in grosser Menge verbauten Randsteinen aus Granit. Für Vermessungsämter, Gemeinden und Geometer stellte Antonini Marksteine her.

Antonini lieferte zudem den Werkstoff oder fertige Werkstücke für die Sockel bedeutender Denkmäler wie etwa beim Rizal-Denkmal in der philippinischen Hauptstadt Manila und dem Welttelegrafen-Denkmal in Bern. In Bellinzona errichtete das Unternehmen 1903 zur Jahrhundertfeier des Kantons Tessin in Zusammenarbeit mit dem Bildhauer Natale Albisetti den Steinobelisken auf der Piazza Indipendenza.[3] Aus Rohmaterial von einem Steinbruch in Osogna (nördlich von Cresciano) bearbeiteten die Bildhauer der Werkstätte von Bernardo Medici die Statuen für den Park auf den Brissago-Inseln.
1904 schloss sich Antonini der Unternehmensgruppe Società Granitwerke (deutsch Schweizerische Granitwerke) an und wurde 1912 nach deren Konkurs wieder selbständig. In einem neuen Steinbruch bei Castione in der Gemeinde Arbedo-Castione baute der Betrieb zusätzlich eine seltene schwarze Granitsorte, die zum Beispiel beim Bau der Banca Commerciale in Mailand Verwendung fand, und eine besonders helle Gneissorte ab, die auch als «Castione-Marmor» bekannt und von vielen Architekten geschätzt wurde.[4][5]
1947 reorganisierten Luigi und Roberto Antonini das Unternehmen, das nun unter dem Namen Antonini Michele e figli auftrat. 1982 beteiligte sich Francesco Antonini, der Sohn von Roberto und diplomierter Architekt, an der Unternehmensleitung. 1973 hörte die Abbautätigkeit in den Steinbrüchen im Kanton Uri auf, das Areal in Wassen wurde an die SBB und jenes in Göschenen an den Kanton Uri verkauft. Die Tätigkeit im Steinbruch in Cesciano veränderte sich in den 1990er Jahren wesentlich, als der Sprengabbau aufgegeben wurde. Die grossen Steinblöcke wurden nun mit Seilsägen aus dem anstehenden Fels herausgetrennt, und auch die Weiterverarbeitung der Rohblöcke in den Werkstätten wurde mechanisiert. 2005 gründeten Roberto und Francesco Antonini mit frischem Kapital die Nuova Antonini SA, die den Abbau von Gestein und den Verkauf der Baustoffe und fertigen Bauteile weiterführte. Schon 2005 entliess der Steinbruchbetrieb in Castione, der als Antonini Graniti e Marmi firmierte, wegen des schlechten Geschäftsgangs 19 Angestellte,[6] und wegen der andauernden Abnahme von Kundenbestellungen musste das Unternehmen 2015 den Steinbruch in Castione ganz schliessen.[7] Die Gemeinde Castione erwarb 2016 das Steinbruchgelände. Um 2018 plante sie, im Steinbruch durch das Granitwerk Ongaro erneut weissem Granit abbauen zu lassen, weil diese Gesteinssorte von der Bauindustrie und für die Restaurierung historischer Bauwerke in der Schweiz kurzfristig wieder gefragt war.[8] Der aufgelassene Steinbruch von Castione ist heute als Fundort von Mineralien bekannt.[9] In den 2020er Jahren erwuchs erneuten Abbauplänen eine starke Opposition, weil die Gemeinde das seit Jahren als Deponie für Inertstoffe benützte Steinbruchgelände als Naturzone entwickeln wollte.[10] 2019 liess die Gemeinde die Ablagerung von Bauschutt stoppen, weil sonst das Laichgebiet seltener Amphibien gefährdet worden wäre.[11] Ein Teil des ehemaligen Betriebsareals in Castione befindet sich in der Bauzone der Gemeinde und ist inzwischen ein Teil des Siedlungsgebiets.
Der Steinbruch von Antonini in Trutzigen bei Wassen ist ein technikgeschichtliches Zeugnis und wird mit übrig gebliebenen Geräten der Steingewinnung als Freilichtmuseum erhalten.[12][13] Die historische Anlage liegt direkt am Fernwanderweg Via Gottardo/Trans Swiss Trail.[14]
Lieferungen von Werksteinen und Skulpturen (Auswahl)

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- Bellinzona: «Fontana della foca», Brunnen von Remo Rossi
- Bellinzona: Palazzo postale
- Bellinzona: Palazzo Municipale
- Bellinzona: Banca dello Stato del Cantone Ticino
- Bellinzona: UBS
- Bellinzona: Staatsarchiv
- Lugano: Kantonsbibliothek
- Lugano: Museo d'arte moderna
- Basel: Mittlere Rheinbrücke
- Zürich: Brunnen auf dem Bellevueplatz
- Zürich: Universitätsspital Zürich
- Zürich: Waidspital
- Zürich: Triemlispital
- Zürich: Kinderspital
- Zürich: Zürcher Kantonalbank
- Zürich: Hauptbahnhof Zürich
- Zürich: Bahnhof Zürich Enge
- Zürich: Bahnhof Stadelhofen
- Zürich: Kunsthaus Zürich
- Kloten: Erstes Abfertigungsgebäude des Flughafens Zürich Kloten
- Basel: Kunstmuseum Basel
- Suhr: Einrichtungscenter von Möbel Pfister
- Vevey: Nestlé-Verwaltungsgebäude
- Genf: Hauptgebäude der Internationalen Arbeitsorganisation
- Leukerbad: Thermalbad
- Lausanne: Verwaltungsgebäude der Vaudoise Versicherungen, Fassade

- Vaduz: Liechtensteinische Landesbibliothek
- Winterthur: Kantonsspital Winterthur
- St. Gallen: Kantonsspital St. Gallen
- Chur: Kantonsspital Graubünden
- Basel: F. Hoffmann-La Roche AG, Verwaltungsgebäude
- Zürich: Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft, Fassade der Konzernzentrale

- Hans Brandenberger: Soldatendenkmal «Wehrbereitschaft»[15]
- Jakob Probst
- Max Bill: Konstruktion (1937), Rhythmus im Raum (1948)[16]
- Gottlieb Honegger
- Remo Rossi
- Pierino Semoni
- Gianfranco Rossi: L'Abbraccio fraterno (Granitskulptur, 1979 geschaffen als Denkmal zur Eröffnung des Gotthard-Autobahntunnels 1980)[17]
- Peter Travaglini
- Nena Airoldi
Bilder
-
Hans Brandenberger: Wehrbereitschaft -
Bellevuebrunnen in Zürich
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Banca Commerciale Italiana in Mailand -
Denkmal für José Rizal in Manila
Literatur
- Giulio Barni, Guglielmo Canevascini: L’industria del granito e lo sviluppo economico del Canton Ticino. Bellinzona 2009.
- Roberto Antonini: 150 anni di storia di una famiglia e della sua impresa. 2015.
Weblinks
- Steinbruch Antonini auf ig-urserental.ch
Einzelnachweise
- ↑ Bigna Silberschmidt: Gotthardgranit schafft es zu internationaler Berühmtheit. In: srf.ch. 26. Juli 2016, abgerufen am 1. September 2025.
- ↑ Der Aaregranit. In: Urban Geotrail - Gesteine in der Stadt Basel. Abgerufen am 1. September 2025.
- ↑ Alan Del Don: Da 120 anni l'Obelisco ci ricorda la libertà. In: Corriere del Ticino. 6. November 2023, abgerufen am 1. September 2025.
- ↑ Francis de Quervain: Die Beziehungen zwischen nutzbaren Gesteinsvorkommen und geologischem Bau des Untergrundes. In: Otto Walter-Glutz (Red.): Stein und Steinwerk. (Landschaften und Bauten. Band III). Bern Basel Olten 1945, S. 45.
- ↑ Castione-Marmor. In: Materialarchiv. Abgerufen am 1. September 2025.
- ↑ "Antonini Graniti e Marmi": 19 licenziamenti. In: tio.ch. 24. Februar 2005, abgerufen am 1. September 2025.
- ↑ Laura Patocchi Zweifel: L’ex Cava Antonini di Cresciano. Archeologia industriale. Storia di una ditta che fornì il granito per Palazzo federale. In: azione.ch. 27. Februar 2017, abgerufen am 1. September 2025.
- ↑ Riattivazione cava ex Antonini, Castione insorge. In: laregione.ch. 2. Februar 2018, abgerufen am 1. September 2025.
- ↑ Castione. In: Mineralienatlas - Fossilienatlas. Abgerufen am 1. September 2025.
- ↑ Alan Del Don: La cava della discordia e il pregiato marmo bianco. In: Corriere del Ticino. 24. Februar 2022, abgerufen am 1. September 2025.
- ↑ Marino Molinaro: Castione, bloccata la deponia d'inerti. In: laRegione. 18. November 2019, abgerufen am 1. September 2025.
- ↑ Der Granit im Urner Oberland. In: Schweizerische Kultur und Geschichte im europäischen Kontext. 9. Oktober 2019, abgerufen am 1. September 2025.
- ↑ Historische Urner Steinbrüche. Naturforschende Gesellschaft Luzern, abgerufen am 1. September 2025.
- ↑ Via Gottardo auf SchweizMobil.
- ↑ Senn Matthias: Hans Brandenberger (1912–2003) – Schöpfer der Skulptur «Die Wehrbereitschaft», 1939. 2004, doi:10.5169/SEALS-381955.
- ↑ Max Bill: Rhythmus im Raum. Abgerufen am 1. September 2025.
- ↑ Jean Olaniszyn: In ricordo di Gianfranco Rossi (8 giugno 1927-21 gennaio 2013), architetto,scultore, poeta. 14. Februar 2024, abgerufen am 1. September 2025.