Ehelosigkeit

Die Ehelosigkeit ist ein Zustand durch freiwilligen oder erzwungenen Verzicht auf eine Eheschließung, aus unterschiedlichen Gründen.

Ein Teil der früher für ledige Menschen verwendeten Begriffe, wie „alte Jungfer“ oder „Hagestolz“, sind klar negativ konnotiert und sind mittlerweile aus dem alltäglichen Sprachgebrauch verschwunden.[1][2]

Während Bezeichnungen wie „Junggeselle“ nach wie vor verwendet werden, wurden andere Begriffe, die früher für Ledige verwendet wurden, wie z. B. „Fräulein“, offiziell aus dem behördlichen Sprachgebrauch entfernt.[3]

Dabei sollte zwischen frei gewählter und verordneter Ehelosigkeit ebenso unterschieden werden, wie zwischen selbst gewählter und vorgeschriebener sexueller Enthaltsamkeit/Abstinenz.[4][5] So gab es auch in Klöstern sowohl Personen, die in erster Linie aus religiösen Motiven eintraten, als auch Menschen deren Alternativen als Unverheiratete begrenzt waren (dies traf besonders auf unverheiratete Frauen zu).[6]

Unfreiwillige Ehelosigkeit

Der Grund für unfreiwillige Ehelosigkeit in einer Bevölkerung kann ökonomisch sein, wenn Einkommen oder Besitz eine Bedingung für die Heirat ist, oder demografisch. In wachsenden Bevölkerungen müssen viele Frauen ledig bleiben, weil es einen Heiratsengpass für Frauen gibt. Eine Studie von Andrea Schiaffino ergab, dass in den 1940er Jahren in Bologna 27 % der Frauen (aber nur 17 % der Männer) mit 50 Jahren noch ledig waren.[7]

Verordnete Ehelosigkeit

Im Falle des Zölibats, sowie des (früher praktizierten) Lehrerinnenzölibats erfolgt die Ehelosigkeit aufgrund von bestehenden Vorschriften, die bei der erstgenannten Form religiösen Ursprung haben und bei der zweiten Form politisch gewollt war.

Aus dem Rigorismus urchristlicher Sittlichkeit heraus werden hier Ehelosigkeit und Enthaltsamkeit gleichgesetzt und schon seit der apostolischen Zeit die Ehelosigkeit als ein höherer Stand angesehen. Mit dieser Doppelwertung werden die Auflagen der Ehelosigkeit für Priester und der Keuschheit für Nonnen und Mönche begründet.[8] Daraus folgende Belastungen hat unter anderem Fritz Leist dokumentiert.[9][10]

Der Soziologe Karl Lenz schrieb 2004:

„Ein tief greifender kultureller Wandel hat sich in der Sexualität ereignet. Das kulturelle Ideal, dass Sexualität nur in der Ehe gestattet ist, ist nahezu völlig verschwunden […]. Sexualität ist nicht mehr länger nur auf die Ehe begrenzt, sondern hat sich in Zweierbeziehungen weit nach vorn verlagert. […] Das in dem bürgerlichen inkorporierte Sexualmodell der Ehe war primär als soziale Kontrolle über die weibliche Sexualität wirksam.“

Karl Lenz: Entgrenzte Lebensbewältigung: Jugend, Geschlecht und Jugendhilfe[11]

Literatur

  • Kathrin Baumgarten: Hagestolz und alte Jungfer. Entwicklung, Instrumentalisierung und Fortleben von Klischees und Stereotypen über Unverheiratetgebliebene, Dissertation Waxmann, Münster, 1997, ISBN 978-3-89325-514-6
  • Bärbel Kuhn: Familienstand ledig. Ehelose Frauen und Männer im Bürgertum 1850–1914., Böhlau Verlag, Köln/Weimar 2000, ISBN 978-3-412-12999-6

Einzelnachweise

  1. Bärbel Kuhn: Familienstand ledig. Böhlau Verlag, Köln/Weimar 2000, ISBN 3-608-50480-X, S. 4–5.
  2. Katrin Baumgarten: Hagestolz und Alte Jungfer. Waxmann, Münster 1997, ISBN 3-89325-514-1, S. 5–10.
  3. 50 Jahren wurde „Fräulein“ aus dem behördlichen Sprachgebrauch verbannt (16. Januar 1972) von 22. November 1921 Freie Universität Berlin, abgerufen am 7. September 2025.
  4. Die Zeit – Das Lexikon mit dem Besten aus der Zeit, Band 4 S. 46, Hamburg 2005, ISBN 3-411-17564-8
  5. Ehelos und unverheiratet
  6. Bärbel Kuhn: Familienstand ledig. Böhlau Verlag, Köln/Weimar 2000, ISBN 3-608-50480-X, S. 51.
  7. Schiaffino, Andrea: Quelques donnés sur le remarriage dans un milieu urbain: Bologne aux 19ième et 20ième siècles. In: J. Dupaquier, E. Hélin, P. Laslett, M. Livi-Bacci, S. Sogner (eds.). Marriage and Remarriage in Populations of the Past. Academic Press, 1981.
  8. Das Bertelsmann Lexikon, 1953, Band 1, Ehe in Spalte 997
  9. Der sexuelle Notstand und die Kirchen, Herder, Freiburg 1972, ISBN 3-451-01923-X; 2. Auflage Mohn, Gütersloh 1972, ISBN 3-579-04545-8
  10. Zum Thema Zölibat – Bekenntnisse von Betroffenen, Kindler Verlag 1973, Neuauflage 1982, ISBN 978-3-463-00553-9
  11. Karl Lenz, Werner Schefold, Wolfgang Schröer: Entgrenzte Lebensbewältigung: Jugend, Geschlecht und Jugendhilfe. Juventa, Weinheim 2004, S. 83 (books.google.ch).