Beckenschiefstand
| Klassifikation nach ICD-10 | |
|---|---|
| M95.5 | Erworbene Deformität des Beckens |
| Q74.2 | Sonstige angeborene Fehlbildungen der unteren Extremität(en) und des Beckengürtels |
| ICD-10 online (WHO-Version 2019) | |
| Klassifikation nach ICD-11 | |
|---|---|
| FC00.3 | Erworbene Deformität des Beckens |
| LD2F.1Y | Sonstige näher bezeichnete Syndrome mit multiplen strukturellen Anomalien, nicht umweltbedingter Ursprung |
| ICD-11: Englisch • Deutsch (Entwurf) | |
Ein Beckenschiefstand ist eine Fehlstellung des Beckens gegenüber der Horizontalen aufgrund angeborener oder erworbener Minderentwicklung (Hypoplasie) einer Beckenhälfte oder eines Beines, durch scheinbare Verkürzung eines Beines aufgrund einer Achsfehlstellung.[1]
Ein Beckenschiefstand von etwa einem Zentimeter ist sehr häufig und normal. Ausgeprägterer Schiefstand (mehr als 2 cm) kann zu einer Skoliose führen.[2]
Verbreitung
Die Häufigkeit eines klinisch bedeutsamen Beckenschiefstandes von mehr als 2 cm mit einem ausgleichsbedürftigen Beinlängenunterschied wird mit 1 zu 1 000 angegeben, das männliche Geschlecht ist etwa doppelt so häufig betroffen.[2]
Ursache
Verschiedene Ursachen sind möglich:[3][4]
Angeboren
Angeborene Veränderungen des Beckenskelettes mit Beckenschiefstand sind sehr selten, siehe auch Unterentwicklung des Beckens. Dazu zählen:
- Hemiatrophie
- Aplasie, Hypoplasie oder Dysplasie von Teilen der Beckenknochen wie bei einem Übergangswirbel, dem sehr seltenen Kaudalen Regressionssyndrom oder dem extrem seltenen Al-Awadi-Raas-Rothschild-Syndrom
- partieller Riesenwuchs wie bei angiektatischem Riesenwuchs; Halbseitenriesenwuchs (Hemihypertrophie); Dolichostenomelie; Elephantiasis congenita hereditaria; Proteus-Syndrom
- Multiple kartilaginäre Exostosen
- häufiger ist die Hüftdysplasie und angeborene Hüftluxation, die unbehandelt eine Skoliose verursachen, und umgekehrt durch eine Skoliose verschlimmert oder hervorgerufen werden kann.[2]
Gleichfalls selten sind angeborene Veränderungen des Beinskelettes mit Beinlängendifferenz:
- Coxa vara
- Dysplasie epiphysealis hemimelica Morbus Trevor
- Klumpfuß
- Morbus Ollier
- periphere longitudinale Hypoplasie
- Proximaler Femurdefekt
Erworben
Erworbener Beckenschiefstand kann auftreten bei:
- muskulärem Ungleichgewicht (funktioneller Beckenschiefstand) bei neuropathischer und mypathischer Skoliose
- lähmungsbedingt wie bei Poliomyelitis oder Infantile Zerebralparese mit Gelenkkontrakturen
- Infektionsbedingt bei einseitiger Sakroiliitis oder Ankylose der Iliosakralgelenke (Naegele-Becken)[5], nach Osteomyelitis oder septischer Koxitis
Erworbene Veränderungen des Beinskelettes mit Beinlängendifferenz (struktureller Beckenschiefstand)
- traumatisch nach Knochenbrüchen, Verletzungen der Epiphysenfuge
- Tumorbedingt bei Exostosen, Fibröser Dysplasie, Neurofibromatose
Diagnose
Bei der Körperlichen Untersuchung wird die Position der äußeren Beckenknochen im Stehen von hinten beurteilt. Eine Messung kann ohne Röntgen mittels 3-D-Wirbelsäulenmessung durch Lichtprojektion parallel verlaufender Messlinien auf die Rückenoberfläche und Photodokumentation des Musters oder auf einer Röntgenbild-Stehaufnahme am besten auf Rasterkassette erfolgen.[4][6]
Therapie
Sofern eine Behandlung als erforderlich angesehen wird, richtet sie sich nach der zugrunde liegenden Veränderung.[4] Funktioneller Beckenschiefstand kann durch Manuelle Medizin beeinflusst werden, vergleiche dazu Isogai Dynamic Therapy.
Literatur
- G. Giuca, I. Sanzarello, D. A. Marletta, S. Calaciura, M. Nanni, D. Leonetti: Incidence and risk factors of hip dislocation in children with cerebral palsy: A systematic review and pooled analysis. In: Journal of clinical orthopaedics and trauma. Band 69, Oktober 2025, S. 103141 doi:10.1016/j.jcot.2025.103141, PMID 40814403, PMC 1234533 (freier Volltext) (Review).
- A. J. Karkenny, L. C. Magee, M. R. Landrum, J. B. Anari, D. Spiegel, K. Baldwin: The Variability of Pelvic Obliquity Measurements in Patients with Neuromuscular Scoliosis. In: JB & JS open access. Band 6, Nummer 1, 2021, S. , doi:10.2106/JBJS.OA.20.00143, PMID 33748643, PMC 7963507 (freier Volltext).
- Gunnar Hägglund: Association between pelvic obliquity and scoliosis, hip displacement and asymmetric hip abduction in children with cerebral palsy: a cross-sectional registry study. In: BMC Musculoskeletal Disorders. 2020, Band 21, Nummer 1 doi:10.1186/s12891-020-03484-y.
Einzelnachweise
- ↑ Pschyrembel online
- ↑ a b c F. Hefti: Kinderorthopädie in der Praxis. Springer 1998, ISBN 3-540-61480-X.
- ↑ R. Putz und M. Müller-Gerbl: Beckenfehlbildungen mit Auswirkungen auf die Statik der Wirbelsäule. Anatomische Anstalt München, epub
- ↑ a b c Radiopaedia
- ↑ Pschyrembel Naegele Becken
- ↑ Alireza Moharrami, Peyman Mirghaderi, Nima Hoseini Zare, Seyed Mir Mansoor Moazen Jamshidi, Mazaher Ebrahimian, Seyed Mohammad Javad Mortazavi: Slight pelvic obliquity is normal in a healthy population: a cross‐sectional study. In: Journal of Experimental Orthopaedics. 2023, Band 10, Nummer 1 doi:10.1186/s40634-023-00613-z.