Großmutterneuron

Ein Großmutterneuron ist ein hypothetisches Neuron, das im Gehirn eines Menschen oder anderen Lebewesens (beispielsweise eines Affen) bei der Wahrnehmung eines bestimmten Gegenstands oder einer bestimmten Person, beispielsweise der eigenen Großmutter, aktiviert wird. Die These, dass solche Großmutterneuronen existieren, wurde in den 1960er Jahren von Jerome Lettvin aufgestellt und zunächst von den meisten Wissenschaftlern als falsch angesehen. Seit ungefähr 2005 gibt es jedoch Studien, die die Existenz singulärer Neuronen belegen, die mit der Wahrnehmung bestimmter Personen (oder auch nur ihres Namens) eng korrespondieren.[1][2][3][4] Da diese Studien Bilder der Schauspielerin Jennifer Aniston aufgrund ihrer Popularität als Items nutzten, ist die Bezeichnung Jennifer-Aniston-Neuron ebenfalls gebräuchlich.[3][5]

Die Sichtweise, dass Kognition das Ergebnis einzelner Neuronen ist, wird zunehmend in Zweifel gezogen. Stattdessen nimmt man heute an, dass die Kognition aus der kollektiven Aktivität ganzer Neuronenpopulationen entsteht (siehe: Barack & Krakauer (2021), Ebitz & Hayden (2021)).

Literatur

  • Quiroga, R. Q., Reddy, L., Kreiman, G., Koch, C., & Fried, I. (2005): Invariant visual representation by single neurons in the human brain. Nature, 435(7045), 1102-1107.
  • Aur, Dorian: Where is the ‘Jennifer Aniston neuron’?. Nature Precedings (2010): 1-1.
  • Quiroga, Rodrigo Quian, Itzhak Fried, and Christof Koch: Brain cells for grandmother. Scientific American 308.2 (2013): 30-35.
  • Barack, David L., and John W. Krakauer: Two views on the cognitive brain. Nature Reviews Neuroscience 22.6 (2021): 359-371.
  • Ebitz, R. Becket, and Benjamin Y. Hayden: The population doctrine in cognitive neuroscience. Neuron 109.19 (2021): 3055-3068.
  • Quiroga, Rodrigo Quian: The forgetting machine: Memory, perception, and the Jennifer Aniston neuron. BenBella Books, 2017.

Siehe auch

  • Mustererkennung
  • Manfred Spitzer: Großmutterneuronen. (Seite: HTML, Video: Flash) [Video]; Rubrik: Geist & Gehirn. In: ARD-alpha.de. Bayerischer Rundfunk (BR), 29. Juli 2008, archiviert vom Original; abgerufen am 27. Dezember 2014.

Einzelnachweise

  1. Was denkt sich die Halle-Berry-Nervenzelle? In: Psychologie Heute. 10. Juni 2006, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. November 2012; abgerufen am 7. März 2024.
  2. Manfred Spitzer: Gott-Gen und Grossmutterneuron. Schattauer, 2006, ISBN 3-7945-2498-5, S. 129 ff.
  3. a b Anna Gosline: Why your brain has a Jennifer Aniston cell. In: New Scientist. 22. Juni 2005, abgerufen am 29. März 2018 (englisch).
  4. Norbert Lossau: Interview mit Christof Koch: Eine Nervenzelle erkennt Halle Berry. In: Die Welt. 23. Juni 2005, abgerufen am 29. März 2018.
  5. Rodrigo Quian Quiroga, Gabriel Kreiman: Postscript: About Grandmother Cells and Jennifer Aniston Neurons. In: Psychological Review. PubMed, Januar 2010, S. 297–299, hier: S. 298.