Wilhelm Heyer

Wilhelm Heyer (* 30. März 1849 in Köln; † 20. März 1913 ebenda) war ein deutscher Unternehmer und bedeutender Sammler von historischen Musikinstrumenten und Musiker-Autographen. Er war der Begründer des Musikhistorischen Museums Wilhelm Heyer in Köln, das von 1905 bis 1926 existierte.

Leben

Familie

Wilhelm Heyer war der Sohn des Schulleiters Peter Wilhelm Heyer (1810–1876) und seiner Ehefrau Johanna Henriette, geb. Mengelberg (1825–1876). Wilhelm Heyers Großvater mütterlicherseits, Egidius Mengelberg, war als Maler und Zeichenlehrer in Köln tätig gewesen.[1]

Ab 1882 war Wilhelm Heyer mit Martha Laura Bensberg (1861–1930) verheiratet. Das Paar hatte einen Sohn und zwei Töchter.

Der Unternehmer

Nach seinen Lehrjahren in Krefeld arbeitete Wilhelm Heyer ab 1870 mehrere Jahre in der Papierfabrik J. W. Zanders in Bergisch Gladbach. Als er nach Köln zurückkehrte, gründete er zusammen mit Ernst Verwohlt 1882 einen Papiergroßhandel. 1885 fusionierte er mit Carl-Eduard Poensgen (1844–1891) (Firma „Poensgen & Heyer“). In den nachfolgenden zwei Jahrzehnten gelang es, durch Fusionen mit konkurrierenden Papierhändlern und -herstellern, das Unternehmen auszubauen und sich im Feinpapierhandel für Industrie- wie Privatbedarf einen Namen zu machen. Um die Jahrhundertwende hatte „Poensgen & Heyer“ Niederlassungen in zahlreichen deutschen Handelsstädten, in Berlin, Hamburg, Leipzig, München, Frankfurt/Main, Stuttgart und in Zürich-Thalwil.[1]

Er erhielt er den Titel Kommerzienrat verliehen. 1898 war er der Bauer im Kölner Dreigestirn.[2]

Der Sammler und Mäzen

Wilhelm Heyer hatte zuerst Briefmarken und Münzen[3] gesammelt und wandte sich erst später dem Sammeln von Musikinstrumenten und Dokumenten der Musikgeschichte zu.

Wilhelm Heyer war ein bedeutender Mäzen für junge Musiker, die in Köln ihre Ausbildung vervollständigen wollten. Die 1845 aus privater Initiative gegründete „Musikalische Lehranstalt für Köln und die Rheinprovinz“ hatte sich inzwischen zum „Städtischen Konservatorium“ entwickelt und genoss um 1900 einen ausgezeichneten Ruf; Heyer saß viele Jahre im Vorstand. Als leidenschaftlicher Sammler von Musikinstrumenten und Musiker-Autographen erweiterte er durch Ankauf von ganzen Privatsammlungen den Bestand; etwa der durch den Ankauf der Instrumentensammlung von Paul de Wit aus Leipzig 1905, von Peter Adolph Rudolph Ibach 1907 oder der von Alessandro Kraus aus Florenz 1908[4].

Heyers Wunsch nach Bespielbarkeit der historischen Musikinstrumente ließ ihn einen Restaurator einstellen (ab 1909 Otto Marx) und die dazugehörige Restaurierungswerkstatt einrichten. Bald danach folgte die wissenschaftliche Betreuung seines umfangreichen Bestandes durch Kuratoren, zunächst ab 1906 durch Ernst Praetorius, ab 1909 durch Georg Kinsky, der zunächst Bibliothekar des Museums wurde und bald darauf mit der Leitung des gesamten Museums betraut wurde.

Köln, Worringer Straße 23, ehemals Sitz des Musikhistorischen Museums Wilhelm Heyer, heute Hotel Victoria

In der Worringer Straße 23 ließ Heyer neben seiner Privatvilla von dem Architekten Carl Moritz ein repräsentatives Gebäude für seine Sammlung errichten,[5] das ab 1905/1906 zum Treffpunkt Kölner Musikfreundfreunde wurde; hier wurden auch Konzerte auf historischen Instrumenten veranstaltet. Das Museum besaß eine Sammlungsfläche von rund 1.000 m², zuzüglich Restaurierungswerkstätten, Büros und Depotfläche. Der Bestand des Museums umfasst rund 2.600 Musikinstrumente, 1.700 Musikautographen von über 700 Komponisten (darunter der kompositorische Nachlass von Niccoló Paganini), etwa 22.000 Musikerbriefe inklusive Urkunden und anderen Schriftstücken, ca. 3.700 Bildnisse und ikonographische Darstellungen, ferner Büsten, Reliquien u. ä. berühmter Musiker sowie eine Fachbibliothek von etwa 2.800 Titeln des 17. bis 20. Jahrhunderts.

Wilhelm Heyer erklärte im Geleitwort des ersten Bandes seines Bestandskatalogs, was ihn in seiner Sammelleidenschaft leitete:

„Mein Wunsch ist, durch erläuternde Vorträge und stilgerecht ausgeführte historische Konzerte mit Benutzung alter Instrumente nach Kräften zur Wiederbelebung der Musik vergangener Zeiten beizutragen, um die Erkenntnis der Schönheit und des bleibenden Wertes so vieler unverdient in Vergessenheit geratenen Werke der Vergangenheit und der reizvollen Eigenart der Instrumente, für die sie geschrieben sind, in den Kreisen ernsthafter Musikfreunde zu erwecken und zu pflegen. Cöln, im Dezember 1910.“[6]

Heyer half auch mit Instrumenten aus, wenn es für das Gelingen eines Konzerts notwendig erschien. Als 1907 für das sechste Brandenburger Konzert die Viola da gamba (Gambe) für ein perfektes Spiel fehlte, lieh er zwölf davon aus. Ein Luxus, der dem Musikkritiker Paul Hiller eine Bemerkung in der Besprechung des Gürzenich-Konzerts im Musikalischen Wochenblatt wert war.[7]

Wilhelm Heyer erlebte es nicht mehr, dass das Museum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Er starb überraschend am 20. März 1913, das Museum wurde am 20. September 1913 eröffnet.[8]

1924 wollten die Erben Heyers aufgrund der hohen Betriebskosten die Sammlung verkaufen und boten sie der Stadt Köln zum Kauf an, die Verhandlungen scheiterten jedoch 1926 in Folge der Höhe des Preises. Daraufhin erwarb der Freistaat Sachsen im Mai 1926 für 800.000 RM die Sammlung der Musikinstrumente. Henri Hinrichsen, Inhaber der Edition Peters, stiftet dafür 200.000 RM, der sächsische Staat kam für 600.000 RM auf. Die Sammlung bildete den Grundstock des Musikinstrumentenmuseums der Universität Leipzig.

1926 bis 1928 versteigern die Firmen Karl Ernst Henrici und Leo Liepmannssohn in Berlin in vier Auktionen die Heyersche Autographensammlung. Große Teile der Bibliothek der Sammlung überlassen die Heyer-Erben Georg Kinsky.

Kataloge der Sammlung Wilhelm Heyer

  • Georg Kinsky: Musikhistorisches Museum von Wilhelm Heyer in Cöln. Katalog. Erster Band: Besaitete Tasteninstrumente, Orgeln und orgelartige Instrumente, Friktionsinstrumente. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1910 (Digitalisat).
  • Georg Kinsky: Musikhistorisches Museum von Wilhelm Heyer in Cöln. Katalog. Zweiter Band: Zupf- und Streichinstrumente. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1912 (Digitalisat).
  • Georg Kinsky: Kleiner Katalog der Sammlung alter Musikinstrumente. Musikhistorisches Museum von Wilhelm Heyer in Cöln. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1913.
  • Georg Kinsky: Musikhistorisches Museum von Wilhelm Heyer in Cöln. Katalog. Vierter Band: Musik-Autographen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1916.
  • Georg Kinsky: Katalog der Blas- und Schlaginstrumente im Musikhistorischen Museum von Wilhelm Heyer in Köln, hrsg. von Josef Focht. Leipzig 2023 (Digitalisat)[9]
Versteigerungskataloge
  • Georg Kinsky: Versteigerung von Musiker-Autographen aus dem Nachlaß des Herrn Kommerzienrates Wilhelm Heyer in Köln im Geschäftslokal der Firma Karl Ernst Henrici, Berlin, Montag, den 6. und Dienstag, den 7. Dezember 1926 ... durch Karl Ernst Henrici & Leo Liepmannssohn, Antiquariat, Berlin, Berlin 1926 (Digitalisat).
  • Versteigerung von Musikerbildnissen sowie Darstellungen mit Musikinstrumenten aus dem Nachlaß des Herrn Kommerzienrates Wilhelm Heyer in Köln durch Karl Ernst Henrici & Leo Liepmannssohn, Antiquariat, Berlin, Berlin 12. und 13. September 1927 (Digitalisat).
  • Georg Kinsky: Versteigerung von Musikbüchern praktischer Musik und Musiker-Autographen des 16. bis 18. Jahrhunderts aus dem Nachlaß des Herrn Kommerzienrates Wilhelm Heyer in Köln im Geschäftslokal der Firma Leo Liepmannssohn, Antiquariat, Berlin, Montag, 9. Mai und Dienstag, den 10. Mai 1927; beschreibendes Verzeichnis (Digitalisat).
  • Georg Kinsky: Versteigerung von Musiker-Autographen aus dem Nachlaß des Herrn Kommerzienrates Wilhelm Heyer in Köln. (Dritter Teil) … Donnerstag, den 29. September 1927 (Digitalisat).

Literatur

  • Kommerzienrat Wilhelm Heyer †. In: Zeitschrift für Instrumentenbau Band 33, 1912–1913, S. 755–756 (Digitalisat).
  • Willy Kahl: Heyer, Wilhelm Ferdinand. In: Friedrich Blume (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG). Erste Ausgabe, Band 6 (Head – Jenny). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 1957, DNB 550439609, Sp. 366–367
  • Frank Köther: Könner, Köpfe und Karrieren. Band 1. Keppler, Heusenstamm 1972, S. 138–139.
  • Martin SchumacherHeyer, Wilhelm. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 9, Duncker & Humblot, Berlin 1972, ISBN 3-428-00190-7, S. 80 (Digitalisat).
  • Fabian Kolb: Das Musikhistorische Museum Wilhelm Heyer und sein Kurator Georg Kinsky im musikkulturellen Netzwerks Kölns der 1920er Jahre. In: Klaus Pietschmann, Robert von Zahn (Hrsg.): Musikwissenschaft im Rheinland um 1930. Bericht über die Tagung der Arbeitsgemeinschaft für rheinische Musikgeschichte in Köln, September 2007 (= Beiträge zur Rheinischen Musikgeschichte Band 171). Merseburger, Kassel 2012, S. 11–92.

Einzelnachweise

  1. a b Martin Schumacher: Heyer, Wilhelm. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 9, Duncker & Humblot, Berlin 1972, ISBN 3-428-00190-7, S. 80 (Digitalisat).
  2. Ilse Prass, Klaus Zöller: Vom Helden Carneval zum Kölner Dreigestirn, 1823–1992. Greven, Köln 1993, ISBN 3-7743-0269-3, S. 51f.
  3. Deutsche Thaler und Doppelthaler des 18. und 19. Jahrhunderts. Sammlung des Herrn Wilhelm Heyer in Cöln. Adolph Hess Nachf., Frankfurt a. M., 9. Oktober 1899 (Digitalisat); s. Künker, eLive Premium Auction 357, 2021, Los 3827.
  4. Catalogo della collezione etnografico-musicale Kraus in Firenze. Sezione istrumenti musicali. Florenz 1901 (Digitalisat).
  5. Seit 1989 Hotel Victoria, Geschichte des Hotels.
  6. Georg Kinsky: Besaitete Tasteninstrumente, Orgeln und orgelartige Instrumente, Friktionsinstrumente. In: Wilhelm Heyer (Hrsg.): Katalog. Musikhistorisches Museum von Wilhelm Heyer in Cöln. Band I. Köln 1910.
  7. Musikalisches Wochenblatt. Neue Zeitschrift für Musik 28. März 1907, S. 322 Sp 1.
  8. [Georg Kinsky]: Zur Eröffnung des Musikhistorischen Museums von Wilhelm Heyer, Cöln am 20. September 1913. Privatdruck. Bachem, Köln 1913.
  9. Siehe Josef Focht, Heike Fricke, Camilo Salazar Lozada (Hrsg.): Georg Kinskys nie gedruckte Geschichte der Blasinstrumente (= FRAKTAL Band 1). Hollitzer Verlag, Wien 2023, ISBN 978-3-99094-092-1.