Rittergut Grasdorf (Laatzen)

Gutshaus „Schloss Grasdorf“ (um 1900)

Das Rittergut Grasdorf, auch Schloss Grasdorf, war ein seit dem 19. Jahrhundert land- und forstwirtschaftlich genutztes Rittergut mit Herrenhaus und Garten in Grasdorf[1], heute einem Stadtteil von Laatzen in der Region Hannover in Niedersachsen.[2]

Geschichte

Gutshof

Der Schlosshof (ca. 1898)

Der Bremer Kaufmann August Anton Rehse,[3] der zur Zeit des Königreichs Hannover im Jahr 1862 auf dem Gut Burg und auch auf dem Gut Heitlingen tätig war,[1] erwarb bei Grasdorf etwa 250 Hektar landwirtschaftliche Flächen und ließ in den Jahren 1866 bis 1868 auf dem etwa 200 Meter südlich des Dorfes gelegenen Liethberg einen Gutshof errichten.[3]

Der Gebäudekomplex war gruppiert um ein aus Backstein errichtetes Herrenhaus mit zinnenartig bekröntem Portal, Freitreppe und Turm. Ställe, Remise und Gärtnerwohnung umgaben eine mit Rasenflächen und Blumenbeeten geschmückte Hoffläche. Am Rethener Kirchweg standen zwei Scheunen. Hinter dem Herrenhaus bis zur Leine erstreckte sich ein Landschaftspark, sowie Obst- und Gemüsegärten.[3]

Späterer Besitzer war der von 1868 bis 1882 in Grasdorf aktenkundige A. Wilhelm Heye.[4]

Von ihm kaufte der Rittmeister Waldemar von Alten,[3] der auch das Rittergut Großgoltern besaß, das Gut Grasdorf. Im Jahr 1912 wurde es wie folgt beschrieben: „Das Rittergut Grasdorf liegt im Fürstentum Calenberg, im Kreis- und Amtsgerichtsbezirk Hannover, im Kirchspiel Grasdorf. Poststation ist Grasdorf, nächste Eisenbahnstation Rethen an der Leine. Das Gut hat eine Größe von 28 ha. Davon sind 20 ha Ackerland und Gärten, 2 ha Wiesen und 4 ha Holzungen. Die Ländereien werden durch Einzelverpachtung genutzt. Herrenhaus und Garten sind vermietet.“[1] Die Stadt Hannover hatte gegen Ende des 19. Jahrhunderts Äcker und Wiesen in der Leinemasch aufgekauft und im Jahr 1899 das Wasserwerk Grasdorf eröffnet.[5]

Der 1912 in Berlin wohnende Waldemar von Alten,[1] Fideikommissherr auf Großgoltern, bot zu Beginn des Ersten Weltkrieges im November 1914 sein auf dem unbewohnten Gut Grasdorf untergebrachtes und auf 14 Regalmeter geschätztes Hausarchiv der Familie Alten-Großgoltern dem damaligen Hauptstaatsarchiv Hannover als Depositum an und ergänzte anschließend das bereits deponierte Archiv von Alten-Wilkenburg und das gesamte Archiv des Adelsgeschlechtes von Alten.[6]

Unterdessen bewarb schon ab 1913 die Samengroßhandlung Carl Wilh. Runde die eigenen auf Gut Grasdorf und dem Rittergut Hülsede bei Hülsede gezogenen Sämereien und Pflanzenkulturen.[2]

Der auf dem Rittergut Großgoltern wohnende Waldemar von Alten überließ das Gut Grasdorf 1918 seinem Sohn Jobst von Alten.[3]

Villa

Das verfallende Anwesen wurde bald danach durch Kommerzienrat Julius Gumpel aus Hannover erworben. Gumpel ließ das Herrenhaus 1925/26 abreißen. Er ersetzte es durch ein zweigeschossiges Klinkergebäude mit Walmdach und Wintergarten sowie ein privates Schwimmbad.[3]

Nach der „Machtergreifung“ durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 verlor Julius Gumpel sein Vermögen durch Verfolgung und Enteignung. Er wurde 1942 in Treblinka ermordet.[7]

Das Anwesen wurde geteilt. Ein Teil der Ländereien diente 1937 als Tauschfläche für den Bau eines Militärflugplatzes bei Langenhagen-Godshorn. Die landwirtschaftlichen Gebäude wurden dadurch zum Hof Hahne. Die Villa erwarb 1939 ein Industriedirektor aus Frankfurt.

Pflegeheim

Nach dem Zweiten Weltkrieg erwarb der Landkreis Hannover die Villa und zusätzliche benachbarte Flächen. Das Gebäude wurde 1953 zum Alten- und Pflegeheim „Haus Grasdorf“ umgebaut. Das Heim wurde 2001/2002 abgerissen und durch einen als Haus für Demenzkranke dienenden Neubau ersetzt. Dieses „Leinetal“-Pflegeheim wurde 2007 privatisiert.[3]

Hof Hahne

Der Hof Hahne wurde abgerissen, um an seiner Stelle 2021/2022 der Wohnpark Grasdorf zu errichten. Eine ehemalige Scheune am Rethener Kirchweg als letztes Überbleibsel des Ritterguts wurde 2023 noch als Hahnes Gästehaus genutzt.[3]

Archivalien

Archivalien von und über das Rittergut Grasdorf finden sich beispielsweise

  • im Niedersächsisches Landesarchiv (Standort Hannover), Untergliederung Hann. 72 Hannover Amtsgericht , als Akte unter dem Titel Rehse, August Anton, Gutsbesitzer, Grasdorf
    • für die Laufzeit 1867: Archivsignatur NLA HA Hann. 72 Hannover Nr. 1805 (alte Signatur VII 356)[8]
    • für die Laufzeit 1867 bis 1875, Archivsignatur NLA HA Hann. 72 Hannover Nr. 1806 (alte Signatur VII 357)[8]
Commons: Rittergut Grasdorf – Sammlung von Bildern

Literatur

  • Helmut Flohr: Das Rittergut Grasdorf: von der Villa zum Schloss bis zum Seniorenzentrum: eine historische Dokumentation mit vielen Abbildungen und Zeichnungen, 2023

Einzelnachweise

  1. a b c d Gustav Stölting, Börries von Münchhausen (Hrsg.): Rittergut Grasdorf, in dies.: Die Rittergüter der Fürstentümer Calenberg, Göttingen und Grubenhagen: Beschreibung, Geschichte, Rechtsverhältnisse und 121 Abbildungen. Auf Beschluss der Ritterschaft und unter Mitwirkung der einzelnen Besitzer, Hannover: Sachse & Heinzelmann, 1912, S. 78, 437 eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  2. a b Waldemar R. Röhrbein: Runde, in: Stadtlexikon Hannover, S. 531; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  3. a b c d e f g h Johannes Dorndorf: Wie die Nazis im Rassenwahn Grasdorfs Schloss an sich rissen. In: www.haz.de. 19. November 2023, abgerufen am 5. September 2025.
  4. NLA HA Hann. 72 Hannover Nr. 1753
  5. Johannes Dorndorf: Hannover trinkt seit 125 Jahren Grasdorfer Wasser. In: www.haz.de. 26. September 2024, abgerufen am 18. August 2025.
  6. Manfred Hamann: Übersicht über die Bestände des Niedersächsischen Staatsarchivs in Hannover, Band 47, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1992, S. 163; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  7. Gumpel, (2) Julius. In: Stadtlexikon Hannover, S. 48
  8. a b Angaben nebst Querverweisen im Archivinformationssystem Arcinsys Niedersachsen Bremen

Koordinaten: 52° 17′ 50″ N, 9° 48′ 23,4″ O