Nina Stoelting

Nina Stoelting (* 1966 in Wiesbaden) ist eine deutsche Künstlerin.

Leben

Nina Stoelting studierte zunächst Architektur an der TU Darmstadt und der Escuela Tecnica Superior de Arquitectura in Barcelona, abschließend bis 1993. Nach Mitarbeit in renommierten Architekturbüros mit dem Schwerpunkt Wettbewerbe entschied sie sich zur Promotion in Kunstgeschichte, die sie 1998 in Darmstadt abschloss. Einen Master machte Nina Stoelting von 1995 bis 1997 in Salzburg im Rahmen des European Executive Program for the Arts and Media (Universität Linz).

Schon während dieser umfassenden akademischen Ausbildung arbeitete sie intensiv im künstlerischen Bereich und nahm seit 1997 regelmäßig an zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland teil.

Nina Stoeltings Zugang zur Kunst ist von einem interdisziplinären Interesse geprägt. Bis 2004 betrieb sie mit dem Künstler Gábor Török in Frankfurt ein Theater, kuratierte zahlreiche Ausstellungen und war Dozentin für Malerei an der Sommerakademie Schwalenberg.

Ergänzt von ausgedehnten Artist-in-Residence-Aufenthalten lebt und arbeitet sie als freischaffende Künstlerin in Wiesbaden.

Werk

Strukturen bestimmen sichtbar das Werk von Nina Stoelting. Sie sind Ausdruck dahinter liegender theoretischer Fragestellungen im Spannungsfeld von Natur, Kultur und Geschichte. Stoeltings meist in großen Zyklen ausgeführten Bildern gehen lange gedankliche Prozesse voraus.

Im Wesentlichen lassen sich seit dem Beginn des Jahrtausends sechs klar voneinander unterscheidbare Werkreihen ablesen: Le Goût de la Terre (2001 – 2008), Rindenbilder (2008-2016) und Makrobilder (2016-2019) umfassen schwere, objekthaft wirkende Reliefe. Die Werkstoffe sind der Natur entnommen, mit Pigmenten versetzt und sämtlich auf Holz aufgetragen.

Die darauf folgenden, eng verwandten Zyklen Unser täglich Brot gib uns heute (2019/ 2020) und Die Partitur des Windes  (2020) sind in Tusche auf sehr dünnem Chinapapier ausgeführt. Sie markieren in ihrer Leichtigkeit eine klare Zäsur. Trotz der minimalistischen Mittel ist es gelungen, eine enorme Tiefenwirkung zu entwickeln, da sich das Papier unter der nassen Tusche verzieht und aus der Fläche plastisch ausweicht.

Inhaltlich bauen die Werkreihen aufeinander auf. Abzulesen ist eine Entwicklung weg von erdschweren Bildern hin zu leichteren, freieren Kompositionen. Gleichbleibend und charakteristisch für die Arbeitsweise der Künstlerin ist der Material- / Farbauftrag in zahlreichen Schichten: In frühen Werken oft pastos, später immer lasierender appliziert, entsteht auf diese Weise raumhafte Tiefe.

Besonders deutlich wird dies in dem 2021 begonnenem Zyklus Capriccio, der zentral für das Werk Nina Stoeltings ist. Inhaltlich geht es um die Visualisierung von klassischer Musik, jedes Bild trägt den Titel eines Musikstückes. Stoelting setzt sich im Vorfeld gedanklich sehr bewusst mit dem Stück auseinander, doch erfolgt beim Hören während des langwierigen Schaffensprozesses ein intuitives Erfassen. Es erweckt eine tänzerische Assoziation, die auf die “Pinsel”  übertragen wird. Diese bestehen aus sorgfältig ausgesuchten Pflanzen, welche es mit Hilfe ihrer einzigartigen Strukturen erlauben, Farbklänge, Rhythmus und Ausdruck malerisch zu transformieren. Schicht für Schicht entstehen so synästhetische Kompositionen, die Klangräume in Bildräume übersetzen.

Wichtiges Merkmal ist die Sichtbarkeit der Bewegung, der Dynamik der Musik. Teils lassen sich Parallelen zu den Künstlern des Action Paintings ablesen. Ebenso wie Jackson Pollock malt auch Nina Stoelting ihre Capriccio Bilder auf dem Boden liegend mit hochliquider Farbe, meist Tusche. Der körperliche Impetus bestimmt den Duktus der Arbeiten, doch sieht sie keinen Widerspruch im Gegenüber von Körper und Geist wie der meist rein intuitive Ansatz des Abstrakten Expressionismus. Die intensive  Auseinandersetzung mit wichtigen Vertretern des Informel wie Fritz Winter, K.R.H. Sonderborg, Fred Thieler, Hans Hartung und den stark räumlichen Rakelbilder von K. O. Götz führte bei Stoelting zu einer ganz eigenen, feinsinnigen Reflexion über die Bildentstehung, die Intellekt und Experiment vereint. Die wegbereitenden historischen Wurzeln an der Schnittstelle von Musik und Bildender Kunst liegen bereits in den 1910er Jahren bei Wassily Kandinsky und Arnold Schönberg. Hier zeigt sich eine bemerkenswerte Entsprechung im intensiven Durchdringen eines theoretischen Überbaus als Voraussetzung für malerische Freiheit.

Eine Sonderstellung innerhalb der Capriccio Werke nimmt ein komplexer Zyklus von großformatigen Leinwänden über eines der Hauptwerke Johann Sebastian Bachs ein: Die Kunst der Fuge. Sie ist eine Reihe von Kompositionen über ein bestimmtes musikalisches Thema und besteht aus 14 „Contrapunctus“ genannten Fugen (und vier Kanons, die jedoch nicht Teil der malerischen Auseinandersetung sind). Inspiriert durch persönliche Erlebnisse und den Einfluss von Sir András Schiff entstand von 2023 - 2025 zu jedem Contrapunctus ein Bild, das in Ausdruck und Duktus analog zur Entwicklung des Fugenthemas variiert.

Geprägt von der barocken, polyphonen Musik unterscheidet sich dieser Bildzyklus formal von den bislang entstandenen Werken der Bildreihe Capriccio, deren Schwerpunkt auf Streichquartetten der Wiener Klassik bis zur Spätromantik liegt.

Auszeichnungen

  • 2023: Residenzstipendium Saint Mathieu de Tréviers, Frankreich
  • 2022: Residenzstipendium artbellwald.ch
  • 2021: Brückenstipendium der Hessischen Kulturstiftung; Residenzstipendium Internationales Sommeratelier Aschersleben
  • 2020: Projektstipendium & Arbeitsstipendium der Hessischen Kulturstiftung
  • 2015: Hessischer Denkmalschutzpreis
  • 2011: 1. Preis Hofgartenplatz, Wiesbaden
  • 2009: International workshop Medana, Slowenien
  • 2003: Förderpreis der Naspa-Stiftung
  • 2001: Studienfahrtenpreis Heussenstammstiftung
  • 2000: Förderpreis der Naspa-Stiftung
  • 1999: Arbeitsaufenthalt in Budapest, Walz-Stiftung
  • 1996: Stipendium der Stiftung Niedersachsen

Werke in öffentlichen Sammlungen

Literatur

Kataloge (Auswahl)

  • Nina Stoelting, Capriccio, Wiesbaden 2022, ISBN 978-3-9824123-0-6.
  • Nina Stoelting, Die Partitur des Windes / Melodic Breezes, Wiesbaden 2021, ISBN 978-3-00-067568-3.
  • Nina Stoelting, Unser täglich Brot gib uns heute / Give us today our daily bread, Wiesbaden 2020, ISBN 978-3-00-065059-8.
  • Nina Stoelting, Makros / Macros, Wiesbaden 2019, ISBN 978-3-00-061806-2.
  • Nina Stoelting, X Quadratmeter Berlin / X Squaremeters Berlin, Wiesbaden 2019, ISBN 978-3-00-061807-9.
  • Kunst=Vielfalt, 32 Künstler – 32 Galerien, Landesverband der Galerien in Hessen und Rheinland-Pfalz, Wiesbaden 2013
  • Nina Stoelting, Mythos Wald, Galerie Draheim, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-00-032599-1.
  • Brot – Form und Symbol, Museum der Brotkultur, Ulm 2005
  • Nina Stoelting, Le goût de la terre, Wiesbaden 2003
  • Nina Stoelting, Weinprobe, Wiesbaden 2000

Eigene Publikation

  • Christina Stoelting, Inszenierung von Kunst, Die Emanzipation der Ausstellung zum Kunstwerk, VDG, Weimar 2000, ISBN 3-89739-103-1.

Bibliographie

Filmbeiträge (Auswahl)