Mikromischer

Mikromischer sind Bauteile der Mikrofluidik. Sie werden in der Verfahrenstechnik zum Vermischen von Fluiden genutzt. Solche Mischer finden Anwendung in der pharmazeutischen, chemischen, biotechnologischen und analytischen Technik in Prozessen, die besonders schnelle und präzise Vermischungen erfordern. Typischerweise sind die charakteristischen Kanalgrößen der Mikromischer im Bereich weniger Mikrometer bis wenigen Millimetern.[1]

Sie können unter 1 mL/h bis 10.000 L/h betrieben werden, wobei die Mischprinzipien in den Großmaßstab durch Scale-Up oder Numbering-Up übersetzt werden können. Aus diesem Grund eignen sich Mikromischer nicht nur für die Entwicklung und Analytik, sondern auch für die chemische oder biotechnologische Produktion.[2][3]

Mikromischerstruktur eines Zyklonmischers

Anwendung

Mikromischer können kleinste Mengen an Substanzen mischen und werden in der pharmazeutischen und chemischen Industrie verwendet. Aus strömungstechnischen Besonderheiten im Bereich der Gewichtskraft und der inneren Reibung verhalten sich mikrofluidische anders als makrofluidische Prozesse, so dass andere Effekte z. B. bei der Nanopartikelherstellung, erzielt werden können. Der größte Unterschied hierbei ist, dass deutlich größere Oberflächen zu Volumen Verhältnis als bei makroskopischen Mischern, wodurch Reibungskräfte gegenüber den Trägheitskräften dominieren. Beim Durchströmen entsteht dadurch eine laminare Strömung ohne nennenswerte Turbulenzen und demzufolge kleine Reynoldszahlen[2]. Dadurch erfolgt das Mischen von Fluiden hauptsächlich durch Diffusion, was eine genaue Kontrolle des Mischprozesses auf molekularer Ebene ermöglicht. Die kleinen Maßstäbe der Mischkanäle führen zusätzlich zu sehr geringen Mischzeiten von bis zu wenigen Millisekunden.[4]

Ein sehr aktuelles Anwendungsfeld mikrofluidischer Mischer liegt in der Herstellung von Nanopartikeln für die Nanomedizin, insbesondere bei der Verkapselung von Wirkstoffen in Nanopartikel wie z. B. Lipidnanopartikel (LNPs), Liposomen oder polymere Nanopartikel. Mikromischer ermöglichen dabei durch die Kontrolle der Mischzeit definierte Größen, enge Größenverteilung und hohe Verkapselungseffizienzen[5]. Dies ist entscheidend für die effektive Freisetzung des Arzneimittels. Ein prominentes Beispiel hierfür ist der COVID-19-Impfstoff Comirnaty® von BioNTech/Pfizer, der durch kontinuierliches Mischen der mRNA mit Lipiden in einem T-Mischer hergestellt wurde.

Mischertypen

Es gibt zwei Arten von Mikromischern: passive und aktive. Aktive Mischer verwenden eine externe Energiequelle, entweder elektrisch oder magnetisch, um die Fluide zu mischen. Antriebsfelder für aktive Mischer können beispielsweise ein Ultraschallfeld, ein magnetisches Feld, oder ein elektrisches Feld sein[6]. Beispiele für aktive Mikromischer sind:

  • Coriolis Mikroreaktor

Auf einer sich drehenden Scheibe werden die zu mischenden Fluide durch Mikrokanäle gepumpt. Der hierbei auftretende Corioliseffekt bewirkt eine Vermischung.

  • Akustische Mischer

Ein piezoelektrischer Oszillator überträgt eine hochfrequente Schwingung auf Bläschen, die in Kavitäten immobilisiert sind. Durch akustische Oberflächenwellen wird eine Mikro-Strömung („acoustic streaming“) im flüssigen Medium induziert, welche den Mischprozess antreibt. Für eine maximale Mischleistung werden die Gasbläschen bei ihrer eigenen Resonanzfrequenz zur Schwingung angeregt.[7]

Passive Mischer haben keine eigene Energiequelle und nutzen Druckdifferenzen, um den Fluss des Fluids zu steuern. Sie mischen die Fluide durch Reduktion des Abstandes im Kontakt befindlichen Medien und dadurch Beschleunigung der Diffusion[6][2]. Die passiven Mischer kann man in folgende Mischertypen unterscheiden:

  • Laminationsmischer

Laminationsmischer sind passive Mikromischer, in denen zwei oder mehrere Flüssigkeitsströme zusammengeführt werden, sodass parallele Flüssigkeitsschichten entstehen. Unterschieden wird dabei in Y-Mischer, Multilaminationsmischer und Split- and Recombine-Mischer. Die einfachste Bauweise eines Laminationsmischers ist ein Y-Mischer oder T-Mischer mit nur einem Laminationsschritt, bei dem in einem einzigen Laminationsschritt zwei Ströme nebeneinander in einen Kanal geführt werden.[8]

Multilaminationsmischer erzeugen ein alternierendes, interdigitales Zuführungsarray, indem die Flüssigkeitsströme in einem Schritt in mehrere dünne Schichten aufgeteilt und wieder in einem Kanal zusammengeführt werden. Diese Mischer sind aufgrund der mikrostrukturierten Kanäle empfindlich gegenüber Partikeln und Verunreinigungen.[9] Durch geeignete, benachbarte Anordnung der Auslässe wird eine effektive Vermischung erzielt.[10]

Split-and-Recombine-Mischer(SAR-Mischer) funktionieren durch das wiederholte Aufteilen und Zusammenführen der Flüssigkeitsströme. Da sie aus einem strukturierten Einzelkanal bestehen, können diese Mischer auch erfolgreich eingesetzt werden, wenn während der Reaktion Ausfällungen auftreten oder feine Schlämme bzw. Suspensionen verarbeitet werden sollen. Diese Mischer gibt es in verschiedenen Ausführungen, beispielsweise als Raupen-Mischer (Caterpillar-Mixer)[11] oder als Mikromischer mit doppelschichtigen Y-förmigen Mischeinheiten[12].

Das Prinzip der Laminationsmischer basiert auf der Aufteilung der Ströme in mehrere dünne Schichten („Laminae“), wodurch die Kontaktfläche zwischen den Fluiden stark vergrößert und die Diffusionsstrecke vermindert wird. Wenn man bei jedem Schritt einen Strom in Teilströme aufteilt, ergeben sich nach Schritten Schichten mit einer Schichtdicke von der ursprünglichen Dicke des Stroms. Die charakteristische Struktur kann dabei in zweidimensionaler Geometrie (z. B. Y-Mischer) oder dreidimensionaler Geometrie (z. B. Caterpillar-Mischer[11]) stattfinden. Laminationsmischer werden häufig in Anwendungen eingesetzt, bei denen schnelles und kontrolliertes Mischen bei niedrigen Durchflussraten erforderlich ist[8].

  • lnjektionsmischer

Injektionsmischer mischen zwei Fluide durch das gezielte Einspeisen eines Fluidstroms in den eines anderen, um dadurch Strömungsstörungen (z.B. Wirbel) und Scherkräfte zu initiieren, die zur Vermischung beider Fluide führen. Dabei wird meist ein Sekundärfluid über seitliche oder zentrale Injektionskanäle in einen Hauptkanal eingeleitet. Die entstehenden lokalen Turbulenzen oder Strömungswirbel fördern die Durchmischung auch bei ansonsten laminarer Gesamtströmung. Zusätzlich werden durch ein hydrodynamisches Fokussieren die Strömungsschicht zusammengedrückt, wodurch die Diffusionswege kürzer werden.[13][14]

  • Interdigital-Mikromischer

Der Interdigital-Mikromischer kombiniert ein durch Mehrfachlaminierung erzeugtes regelmäßiges Strömungsmuster mit einer geometrischen Fokussierung, die das Mischen von Flüssigkeiten beschleunigt. Aufgrund dieser zweistufigen Vermischung eignen sich die Interdigitalmischer für eine Vielzahl von Prozessen wie Mischen, Emulgieren, sowie einphasige und mehrphasige organische Synthesen.[15]

  • Chaotische Mikromischer

Chaotische Mikromischer nutzen gezielt erzeugte sekundäre Strömungen, um Fluide auf mikroskopischer Ebene effizient zu durchmischen. Ein häufig genutzter Mischer ist dabei der Staggered Herringbone Mischer (SHM), bei dem gezackte Rillen (herringbone = Fischgrätenmuster) auf dem Boden eines Mikrokanals asymmetrisch angeordnet sind. Diese Struktur erzeugt transversale Wirbel und chaotische Advektion, wodurch sich Fluidelemente ständig neu anordnen, ohne dass dafür Turbulenz nötig ist. Der SHM erlaubt somit eine schnelle, diffusionsunterstützte Durchmischung auch bei sehr niedriger Reynolds-Zahl und geringem Druckverlust. Solche Mischer kombinieren strukturelle Einfachheit mit hoher Mischleistung und werden häufig in Lab-on-a-Chip-Anwendungen eingesetzt.[16][17][18]

  • Zyklonmischer

Durch einen tangentialen Eintritt in den Mischraum werden die zu mischenden Fluide in Rotation versetzt. Durch strömungsmechanische Vorgänge kommt es zur Vermischung.[19]

Fertigungstechniken

Lithografietechniken sind für die Herstellung von Mikromischern von grundlegender Bedeutung. Bei der Fotolithografie werden Masken und UV-Licht verwendet, um Fotolacke zu strukturieren, wodurch hochauflösende, komplexe Designs ermöglicht werden, gefolgt von Ätz- oder Abscheidungsverfahren (LIGA: steht für die Verfahrensschritte: Lithographie, Galvanik und Abformung). Die Ätztechniken (nass oder trocken) werden benötigt, um die Mikrokanäle selbst auf Grundlage der Lithografie-Maske herzustellen. Beim Nassätzen werden chemische Lösungen zum Abtragen des Materials verwendet, während beim Trockenätzen Plasma oder reaktive Gase für ein kontrolliertes Ätzen eingesetzt werden.

Weitere Herstellungsverfahren sind die Mikrobearbeitung (CNC oder Laser) für den präzisen Materialabtrag, der 3D-Druck (Stereolithografie, selektives Lasersintern, Schmelzschichtverfahren) für den schichtweisen Aufbau komplexer Geometrien und Verbindungstechniken (thermisch, anodisch, adhäsiv, PDMS) zum Verbinden von Mikrokanalsubstraten. Häufig wird eine Kombination verschiedener Techniken verwendet, um einen einzelnen Mikromischer herzustellen.

Die Wahl der geeigneten Fertigungstechnik hängt von mehreren Faktoren ab, darunter:

·        Die für den Mikromischer verwendeten Materialien (z. B. Silizium, Glas, Polymere, Metalle)

·        Die Komplexität des Mikrokanaldesigns

·        Die erforderlichen Strukturgrößen und Toleranzen

·        Die Kosten für den Herstellungsprozess

Einzelnachweise

  1. Nam-Trung Nguyen: Chapter 1 - Introduction. In: Micromixers (Second Edition) (= Micro and Nano Technologies). William Andrew Publishing, Oxford 2012, ISBN 978-1-4377-3520-8, S. 1–8, doi:10.1016/b978-1-4377-3520-8.00001-2 (sciencedirect.com [abgerufen am 22. August 2025]).
  2. a b c Volker Hessel, Holger Löwe, Friedhelm Schönfeld: Micromixers—a review on passive and active mixing principles. In: Chemical Engineering Science (= 5th International Symposium on Mixing in Industrial Processes (ISMIP5)). Band 60, Nr. 8, 1. April 2005, ISSN 0009-2509, S. 2479–2501, doi:10.1016/j.ces.2004.11.033 (sciencedirect.com [abgerufen am 22. August 2025]).
  3. Handbuch Chemische Reaktoren. In: Springer Reference Naturwissenschaften. 2020, ISSN 2522-8161, doi:10.1007/978-3-662-56434-9 (springer.com [abgerufen am 22. August 2025]).
  4. L. Falk, J. -M. Commenge: Performance comparison of micromixers. In: Chemical Engineering Science (= 20th International Symposium in Chemical Reaction Engineering—Green Chemical Reaction Engineering for a Sustainable Future). Band 65, Nr. 1, 1. Januar 2010, ISSN 0009-2509, S. 405–411, doi:10.1016/j.ces.2009.05.045 (sciencedirect.com [abgerufen am 22. August 2025]).
  5. Daixin Chen, Zhikai Liu, Letao Guo, Lixia Yang, Yuchao Zhao, Mei Yang: Controlled preparation of lipid nanoparticles in microreactors: Mixing time, morphology and mRNA delivery. In: Chemical Engineering Journal. Band 505, 1. Februar 2025, ISSN 1385-8947, S. 159318, doi:10.1016/j.cej.2025.159318 (sciencedirect.com [abgerufen am 22. August 2025]).
  6. a b Nam-Trung Nguyen: Fundamentals and Applications of Microfluidics, Third Edition. 1st ed Auflage. Artech House, Norwood, MA 2019, ISBN 978-1-63081-365-9.
  7. Zahra Ghorbani Kharaji, Morteza Bayareh, Vali Kalantar: A review on acoustic field-driven micromixers. International Journal of Chemical Reactor Engineering, Bd. 19, Nr. 6, 2021, S. 553–569, doi:10.1515/ijcre-2020-0188.
  8. a b Volker Hessel, Holger Löwe, Friedhelm Schönfeld: Micromixers—a review on passive and active mixing principles. In: Chemical Engineering Science (= 5th International Symposium on Mixing in Industrial Processes (ISMIP5)). Band 60, Nr. 8, 1. April 2005, ISSN 0009-2509, S. 2479–2501, doi:10.1016/j.ces.2004.11.033 (sciencedirect.com [abgerufen am 25. August 2025]).
  9. Patent DE19927554A1: Mikromischer. Angemeldet am 16. Juni 1999, veröffentlicht am 28. Dezember 2000, Anmelder: Institut für Mikrotechnik Mainz GmbH, Erfinder: Wolfgang Ehrfeld, Frank Michel, Astrid Lohf, Volker Graeff.
  10. Fluidische Mikromischer. Abgerufen am 26. November 2020.
  11. a b Christina Wenck, Nils Meier, Eilien Heinrich, Verena Grützner, Frank Wiekhorst, Regina Bleul: Design and characterisation of casein coated and drug loaded magnetic nanoparticles for theranostic applications. In: RSC Advances. Band 14, Nr. 36, 16. August 2024, ISSN 2046-2069, S. 26388–26399, doi:10.1039/D4RA02626H, PMID 39165790, PMC 11334153 (freier Volltext) – (rsc.org [abgerufen am 25. August 2025]).
  12. Guojun Liu, Meng Wang, Luntao Dong, Duanyi Zhu, Conghui Wang, Yanhui Jia, Xinbo Li, Jibo Wang: A novel design for split-and-recombine micromixer with double-layer Y-shaped mixing units. In: Sensors and Actuators A: Physical. Band 341, 1. Juli 2022, ISSN 0924-4247, S. 113569, doi:10.1016/j.sna.2022.113569 (sciencedirect.com [abgerufen am 25. August 2025]).
  13. James B. Knight, Ashvin Vishwanath, James P. Brody, Robert H. Austin: Hydrodynamic Focusing on a Silicon Chip: Mixing Nanoliters in Microseconds. In: Physical Review Letters. Band 80, Nr. 17, 27. April 1998, S. 3863–3866, doi:10.1103/PhysRevLett.80.3863 (aps.org [abgerufen am 17. September 2025]).
  14. Guilhem Velvé Casquillas, Timothée Houssin: Microfluidic mixers : a short review. In: Elveflow. 9. Juli 2019 (elveflow.com [abgerufen am 17. September 2025]).
  15. Volker Hessel, Holger Löwe, Friedhelm Schönfeld: Micromixers—a review on passive and active mixing principles. In: Chemical Engineering Science (= 5th International Symposium on Mixing in Industrial Processes (ISMIP5)). Band 60, Nr. 8, 1. April 2005, ISSN 0009-2509, S. 2479–2501, doi:10.1016/j.ces.2004.11.033 (sciencedirect.com [abgerufen am 17. September 2025]).
  16. Suet Ping Kee, Asterios Gavriilidis: Design and characterisation of the staggered herringbone mixer. In: Chemical Engineering Journal. Band 142, Nr. 1, 1. August 2008, ISSN 1385-8947, S. 109–121, doi:10.1016/j.cej.2008.02.001 (sciencedirect.com [abgerufen am 17. September 2025]).
  17. Volker Hessel, Holger Löwe, Friedhelm Schönfeld: Micromixers—a review on passive and active mixing principles. In: Chemical Engineering Science (= 5th International Symposium on Mixing in Industrial Processes (ISMIP5)). Band 60, Nr. 8, 1. April 2005, ISSN 0009-2509, S. 2479–2501, doi:10.1016/j.ces.2004.11.033 (sciencedirect.com [abgerufen am 17. September 2025]).
  18. J. Aubin, D.f. Fletcher, J. Bertrand, C. Xuereb: Characterization of the Mixing Quality in Micromixers. In: Chemical Engineering & Technology. Band 26, Nr. 12, 2003, ISSN 1521-4125, S. 1262–1270, doi:10.1002/ceat.200301848 (wiley.com [abgerufen am 17. September 2025]).
  19. HARDT, S. et al. Radial and tangential injection of liquid/liquid and gas/liquid streams and focusing thereof in a special cyclone mixer. In: Proc. 6th Int. Conf. on Microreaction Technology. 2002. S. 329–44.