Mary Ignatius Davies
Sister Mary Ignatius Davies, kurz Schwester Ignatius, (* 18. November 1921 in Innswood, Saint Catherine, als Marjorie Agnes Davies; † 9. Februar 2003 in Kingston) war eine römisch-katholische Ordensfrau des Religious Order of the Sisters of Mercy in Jamaika. Als vielseitig interessierte Persönlichkeit war sie für die Schüler der Alpha Boys’ School Betreuerin, Erzieherin, Musiklehrerin und für manche auch Ersatzmutter. Zu ihren bekanntesten Schülern gehörten die Gründungsmitglieder der Skatalites Tommy McCook, Don Drummond, Lester Sterling und Johnny Moore sowie der Sänger Owen Gray, der Posaunist Rico Rodriguez und die Schlagzeuger Leroy „Horsemouth“ Wallace und Winston „Sparrow“ Martin.
Namen
Schwester Ignatius kam als Marjorie Agnes Davies zur Welt. Nach ihrem Eintritt in den Orden der Barmherzigen Schwestern nahm sie den Ordensnamen Mary Ignatius Davies an. Der zweite Vorname Ignatius bezieht sich auf Ignatius von Loyola, den Gründer des Jesuitenordens. Die Schüler der Alpha Boys’ School gaben Schwester Ignatius den Spitznamen „Sister Iggy“. Manche Schüler, wie der Trompeter Dizzy Moore, nannten sie liebevoll „Bones“ (Knochen), weil sie schlank und hochgewachsen war.[1]
Nachträglich verliehene Beinamen sind „Mother of Jamaican popular music“ (Gordon Robinson, The Gleaner, 2003), „Mother Theresa of Reggae“ und „Mother of Ska“.[2][3]
Werdegang
Jugend
Marjorie Agnes Davies war die Tochter von John Robert Davies und Ethel Davies, geborene Starege, aus der Region Demerara in Guyana. Das Paar hatte zwei ältere Söhne und eine Tochter. Als die Mutter 1935 starb, war der Vater mit der 14-jährigen Tochter überfordert und übergab sie an Marjories Tante Ivy in Kingston. Marjorie wurde an der von Ordensfrauen geführten Mercy Academy eingeschrieben, der Mädchen-Abteilung der Alpha Cottage School. An der High School zeigte sie großes Interesse an sportlichem Wettbewerb in Cricket, Fußball und Boxen. Ihre Idole waren Collie Smith und Boxweltmeister Sugar Ray Robinson. Außerdem spielte sie Saxophon, Flöte und Klavier. Besonders gut war sie in Wirtschaftskursen wie Stenografie, Buchhaltung und Maschinenschreiben. Marjorie schloss ihre Ausbildung im Januar 1939 ab und trat am 1. Februar aus freien Stücken in den römisch-katholischen Orden der Sisters of Mercy ein.[1][4]
Ordensfrau
Marjorie war 17 Jahre alt, als sie ihre Arbeit an der Alpha Boys’ School „for wayward boys“ (Schule für missratene Jungen) aufnahm, und sie blieb dort bis ans Ende ihres Lebens. Als Ordensfrau nahm sie den Ordensnamen Mary Ignatius Davies an. Zu den Aufgaben von Schwester Ignatius gehörte die Beaufsichtigung, Betreuung und Verpflegung der anvertrauten Zöglinge, oft Waisen oder vernachlässigte Kinder. Über das tägliche Arbeitspensum hinaus war Schwester Ignatius bestrebt, ihre vielseitigen Begabungen und Interessen an die Kinder weiterzugeben, um deren körperliche und geistige Gesundheit zu stärken. Sie ermutigte die Jungs zum sportlichen Wettstreit und übte mit ihnen Cricket, Fußball, Tischtennis und sogar Boxen. Zu ihrem Trainingsprogramm gehörten auch Filme über Rocky Marciano und ihren Favoriten Sugar Ray Robinson. Lester Sterling, später Saxophonist der Skatalites, erinnert sich an seinen ersten Boxunterricht:
“Sister Ignatius introduced me to boxing and she used to tell me about the great Sugar Ray Robinson, so she get me interested and show me pictures of him. And so she say she going to teach me to box. So she take me behind the chapel and she put on her boxing gloves and I put on mine and start to spar!”
„Schwester Ignatius hat mir das Boxen beigebracht. Weil sie immer vom großartigen Sugar Ray Robinson gesprochen hat, hat sie mein Interesse geweckt und mir Bilder von ihm gezeigt. Und dann sagte sie, sie würde mir Boxen beibringen. Also nahm sie mich hinter die Kapelle, zog ihre Boxhandschuhe an, ich zog meine an, und wir fingen an zu boxen!“
Sister Sessions
Die zweite große Leidenschaft neben Sport war für Schwester Ignatius die Musik. Die musikalische Früherziehung war fester Bestandteil der Schulausbildung, bereits seit 1892 existierte ein Trommel- und Pfeifenkorps. Zwischen 1908 und 1910 bekam die Alpha Boys’ Band dank großzügiger Spenden Blasinstrumente und einen Kapellmeister.[6] Schwester Ignatius, die selbst Saxophon spielte, ermutigte die Schüler zum Üben und nahm auch regelmäßig an den Bandproben teil. Der Sänger Owen Gray erinnert sich:
“Our teacher, Sister Ignatius, she was a musician herself because she could play the saxophone, she could play the flute, and she was very strict.”
„Unsere Lehrerin, Schwester Ignatius, war selbst Musikerin, denn sie konnte Saxophon und Flöte spielen, und sie war sehr streng.“
Unter ihrer Ägide erweiterte sich das Repertoire der Schulband beträchtlich. Sie mochte klassische Musik, Jazz und Latin Music ebenso wie die aktuellen Charthits, zumeist Rhythm & Blues. Und ihren Schülern spielte sie auch vor. Ende der 1950er-Jahre kaufte sie zwei Arbeitern ein Soundsystem ab und benannte es nach den Vorbesitzern Mutt & Jeff Hi Fi.[8] An Samstagen legte sie von 13 bis 17 Uhr in vollem Ornat für Schüler und Gäste Vinylschallplatten auf. Ihre Plattensammlung soll mehrere hundert Schallplatten umfasst haben.[9] Der spätere Kapellmeister der Alpha Boys’ Band Winston „Sparrow“ Martin:
“She would come on Saturdays and she would have a whole lot of record, you name it, classical, jazz record, pop record, all kind, Latin, American, European music, Cuban music, and mento music…”
„Immer samstags kam sie an und hatte jede Menge Schallplatten dabei, alles was man sich vorstellen kann: Klassik, Jazz, Pop, alles Mögliche, Latin, amerikanische, europäische Musik, kubanische Musik und Mento…“
Den Schulabgängern half Schwester Ignatius dabei, eine Anstellung zu finden, entweder im West Indian Regiment bzw. in der Jamaica Military Band oder in den Jazzkapellen der Insel. Talentscouts und Bandleadern wie Ernest Ranglin, der für Eric Deans Orchestra unterwegs war, erlaubte sie, die Bandproben zu besuchen. Zu ihren bekanntesten Schülern gehörten die Gründungsmitglieder der Skatalites, der Saxophonist Tommy McCook, der Posaunist Don Drummond, der Saxophonist Lester Sterling und der Trompeter Johnny Moore sowie der Posaunist Rico Rodriguez und die Schlagzeuger Leroy „Horsemouth“ Wallace und Winston „Sparrow“ Martin.[2]
Einige Zöglinge verdanken Schwester Ignatius auch ihre Spitznamen. Winston Martin verpasste sie den bleibenden Spitznamen „Sparrow“ und Uriah Johnson, der später in der Band von Byron Lee spielte, nannte sie wegen seiner Ähnlichkeit mit Sammy Davis Jr. kurzerhand „Little Sammy“.[10]
Tod
Schwester Mary Ignatius Davies starb am 9. Februar 2003, einen Tag nach einem Herzinfarkt, im University Hospital of the West Indies im Alter von 81 Jahren.[4] Der Trauergottesdienst fand in der Holy Trinity Cathedral von Kingston, Jamaika, statt. Schwester Ignatius ist auf dem Dovecot Cemetery ihrer Heimatregion Saint Catherine beerdigt.
Ehrungen
Die Tageszeitung Jamaica Observer ehrte Schwester Ignatius am 25. Februar 1997 mit dem Award for Outstanding Community Service (Auszeichnung für herausragenden Dienst an der Allgemeinheit).[11]
Stimmen
“Without the life of Sister Ignatius, Jamaican music wouldn’t be the same. In fact, it is arguable that without Sister Iggy, as she was affectionately known by her students, reggae, rocksteady, even ska may not have seen its genesis through the horns and drums of the boys in her care. The music world owes a great debt to Sister Mary Ignatius Davies…”
„Ohne Schwester Ignatius wäre die jamaikanische Musik nicht dieselbe. Tatsächlich lässt sich argumentieren, dass ohne Schwester Iggy, wie sie von ihren Schülern liebevoll genannt wurde, Reggae, Rocksteady und sogar Ska vielleicht nie aus den Blasinstrumenten und Trommeln der Jungen in ihrer Obhut hervorgegangen wären. Die Musikwelt steht tief in der Schuld von Schwester Mary Ignatius Davies…“
“Being a Catholic there was so much laws and rules and regulations on how you have to be and Sister Ignatius she break down a lot of that […] And for that I really respect her.”
„Für einen Katholiken gab es so viele Gesetze, Regeln und Vorschriften darüber, wie man sich zu verhalten hat. Schwester Ignatius hat viel davon [für uns] heruntergebrochen […] Und dafür respektiere ich sie wirklich sehr.“
Filmografie
- Sister Ignatius: Mother of Ska. Regie: Dovile Kirvelaityte. Vereinigtes Königreich, 2022.
Literatur
- Heather Augustyn: Ska. The Rhythm of Liberation. Bloomsbury 2013.
- Heather Augustyn, Adam Reeves: Alpha Boys’ School. Cradle of Jamaican Music. Half Pint Press, Chesterton (Indiana) 2017, ISBN 978-0-692-98073-6, S. 52–64.
- Sister Mary Bernadette Little: You Did It Unto Me. The Story of Alpha and the Sisters of Mercy in Jamaica. o. J.
Weblinks
- Sister Ignatius: Mother of Ska bei IMDb
- History of Alpha Boys School bei Alpha Old Boys Association
- Ignatius’ musical legacy lives on In: The Gleaner vom 7. Dezember 2014 (englisch)
Nachruf
- David Katz: Obituary: Sister Mary Ignatius Davies In: The Guardian vom 15. Februar 2003 (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ a b Heather Augustyn: Alpha Boys’ School. Cradle of Jamaican Music. Chesterton 2017, S. 53.
- ↑ a b Remembering the Mother Theresa of Reggae bei Alpha Boys’ School Radio vom 9. Februar 2024.
- ↑ Sister Ignatius: Mother of Ska bei IMDb.
- ↑ a b History of Alpha Boys School bei Alpha Old Boys Association.
- ↑ Heather Augustyn: Alpha Boys’ School. Cradle of Jamaican Music. Chesterton 2017, S. 56.
- ↑ Heather Augustyn: Alpha Boys’ School. Cradle of Jamaican Music. Chesterton 2017, S. 33.
- ↑ a b Heather Augustyn: Alpha Boys’ School. Cradle of Jamaican Music. Chesterton 2017, S. 57.
- ↑ Ignatius’ musical legacy lives on In: The Gleaner vom 7. Dezember 2014.
- ↑ Heather Augustyn: Ska. The Rhythm of Liberation. Bloomsbury 2013.
- ↑ Tip-A-Top Records: Winston „Sparrow“ Martin – Teaser auf YouTube.
- ↑ a b Heather Augustyn: Alpha Boys’ School. Cradle of Jamaican Music. Chesterton 2017, S. 64.
- ↑ Heather Augustyn: Sister Mary Ignatius – Mother of Jamaican Music bei Kool97fm.