Luftangriff auf El Pilar

Die beiden im Inneren der Basílica del Pilar ausgestellten Bomben sollen diejenigen sein, die am 3. August 1936 auf die Basilika abgeworfen wurden.[1]

Der Luftangriff auf El Pilar bezeichnet den Abwurf von vier Bomben auf die Basilika El Pilar in Saragossa (Spanien) durch ein republikanisches Flugzeug am 3. August 1936, wenige Wochen nach dem Militärputsch, der im Spanischen Bürgerkrieg mündete. Keine der vier Bomben explodierte, weshalb die Schäden an der Basilika gering blieben. Allerdings wurden die Fresken der Virgen en gloria y santos mártires [Jungfrau in der Glorie und heilige Märtyrer] in der Kuppel des sogenannten Coreto de la Virgen [Chor- bzw. Andachtskapelle der Jungfrau], gemalt von Goya, unwiederbringlich beschädigt.[2]

Vorgeschichte

Die Stadt Saragossa stand nach dem spanischen Militärputsch vom Juli 1936 auf der Seite der Nationalisten, wobei die Anhänger der Republik einer erheblichen Repression ausgesetzt waren; dazu gehörten auch zahlreiche standrechtliche Erschießungen von Republikanern. Da die Stadt selbst nicht zum Schauplatz größerer Kampfhandlungen wurde, blieb sie von den direkten Zerstörungen verschont; die Front verlief östlich der Stadt am Aragon-Frontabschnitt.[3]

Zerstörung blieb jedoch nicht aus, da die Luftstreitkräfte der Spanischen Republik die Stadt wiederholt bombardierten. Die republikanischen Angriffe begannen bereits in den ersten Kriegstagen; der erste Luftangriff auf zivile Ziele fand am 24. Juli 1936 statt. Es wird geschätzt, dass im Durchschnitt etwa fünf Menschen pro Tag ums Leben kamen. Insgesamt wurden 43 Angriffe gezählt, die etwa 119 Tote und 248 Verletzte forderten. Obwohl die Angriffe weder systematisch noch koordiniert verliefen, trafen Bomben unter anderem das Klinische Universitätskrankenhaus, die Hermandad del Refugio [Bruderschaft der Zuflucht] und das Hogar Pignatelli, damals ein Waisenhaus.[3][4][5][6]

Bombardierung

Ansicht der Basilika El Pilar zu Beginn der 1930er-Jahre

Nach dem traditionellen Bericht überflog am 3. August 1936 um halb drei Uhr morgens eine Fokker F.VII, gesteuert von Manuel Gayoso Suárez von den Spanischen Luftpostlinien (militarisiert durch die Regierung Kataloniens), vom Flugplatz El Prat de Llobregat aus in geringer Höhe unentdeckt die Dächer Saragossas. Er warf vier Bomben ab: Zwei trafen die Basilika El Pilar und durchschlugen deren Dach, eine fiel auf die Plaza del Pilar vor die Alfonso-I.-Straße, wo sie im Boden stecken blieb, und eine vierte stürzte in den Ebro. Keine der vier Bomben explodierte, womit ein mögliches Einstürzen der Basilika verhindert wurde, die auf instabilem Grund errichtet und erst 1930 baulich gesichert worden war.[2][3][7][8][9]

Reaktionen und Folgen

Die Mehrheit der Anwohner bemerkte den Bombenangriff nicht, da es keine Explosion gab; erst der Anwohner Tomás Burillo schlug Alarm.[10]

Die im Inneren gefundenen Bomben waren zerstört und hatten TNT auf Decke, Balken und Gebälk verstreut. Sie wurden entfernt, das TNT beseitigt und anschließend vom Architekten Teodoro Ríos aufgenommen. Die Bombe, die auf der Plaza del Pilar niedergegangen war, musste von Mitgliedern des Artillerieparks geborgen werden. Die Reste wurden in die Werkstatt Mercier gebracht, ein von den Nationalisten militarisiertes Rüstungsunternehmen, nachdem sie vom Oberstleutnant Manuel Cella des Artillerieparks untersucht worden waren. In seinem technischen Bericht erklärte der Oberst: „Der Sprengkörper hatte sämtliche Bestandteile vollständig und diese befanden sich in einwandfreiem Zustand, aber die Elemente der Zündung waren in falscher Reihenfolge montiert; anstelle von Pulver–Zündhütchen–Verstärker, was korrekt wäre, fand man Pulver–Verstärker–Zündhütchen.“ In der Werkstatt Mercier wurden die Bomben anschließend untersucht, kopiert und in Serie nachgebaut, da die Putschisten dieses Modell nicht besaßen.[10]

Loch im Dach der Basilika, verursacht durch eine der Bomben. Die Schäden wurden nicht repariert, damit die Auswirkungen sichtbar bleiben.

Schäden

Die durch den Bombenangriff verursachten Schäden waren gering. Die Bomben explodierten nicht, und die erste soll in den Fluss Ebro gefallen sein, wo sie jedoch nie gefunden wurde.[10]

Die zweite und dritte Bombe trafen die Basilika, der lediglich zwei Löcher im Dach davontrug. Eine schlug in eine Zwickelzone einer der Kuppeln nahe der Heiligen Kapelle ein, die zweite beschädigte die Seitenpartie des Freskos La adoración del nombre de Dios [Die Anbetung des Namens Gottes] von Goya.[10]

Die vierte Bombe, die auf der Plaza del Pilar vor dem Eingang zur Calle Alfonso I einschlug, blieb in den Pflastersteinen stecken, ohne größere Folgen. Der Ort ist heute mit einem Kreuz aus Marmor im Boden markiert.[10]

Republikanische Reaktionen

Die ersten Reaktionen der republikanischen Seite rechtfertigten den Angriff. Die Zeitung der Internationalen ArbeiterInnen-Assoziation, Solidaridad Obrera, titelte aus Barcelona auf der Vorderseite:[11][10]

Zaragoza kurz vor der Kapitulation. Gestern Nachmittag bombardierten unsere Flugzeuge die Basilika des Pilar

Allgemein rechtfertigten republikanische Zeitungen die Aktion mit militärischen Gründen: Entweder hätten sich Soldaten, uniformierte Zivilisten oder Falangisten in der Basilika aufgehalten, oder man stellte den Zusammenhang mit dem Vormarsch einer Kolonne von 1600 Requetés her, die sich von Pamplona nach Madrid bewegte. Diese Bewegung sei von den Nachrichtendiensten des katalanischen Regierung entdeckt worden, und der Angriff sei auf Befehl von Oberst Felipe Díaz Sandino erfolgt.[11]

Nationale Reaktionen

Die nationalen Zeitungen reagierten mit Empörung und stellten die Ereignisse von Beginn an in Zusammenhang mit einem Wunder.[12]:55–67

Der Ort des Einschlags ist bis heute durch ein in den Boden eingelassenes Marmorkreuz gekennzeichnet

Die Reaktion in Saragossa war von religiösem Eifer geprägt. Es bildeten sich Schlangen, um den Pilar [Pfeiler] zu küssen, und Blumensträuße für die Jungfrau wurden gekauft. Am 17. August wurde das Marmorkreuz angebracht, das den Ort markiert, an dem die Bombe auf der Plaza del Pilar eingeschlagen war. Täglich fanden in anderen Städten Sühneakte statt, etwa in Épila mit den Jugendgruppen der Renovación Española oder mit einem Aufmarsch von Requetés mit Mola. Am 15. August wurde der Jungfrau ein Mantel mit den Insignien eines Kapitänsgenerals des Heeres angelegt. Einen Monat lang verging kein Tag ohne Feierlichkeiten, und Tausende von Zuschriften gingen bei den Saragossaner Zeitungen ein.[13]

Die offiziellen Reden nutzten dieses religiöse Gefühl, um es mit ihrer Sache zu verbinden: Man sprach vom Krieg als „Kreuzzug“ und vom gescheiterten Bombenangriff als „Wunder“. Häufig wurde die Schuld den Marxisten, den Katalanen – der Generalitat von Katalonien – und dem „russischen Invasor“ zugeschrieben, die als „Feinde des Vaterlandes“ oder „antipatriotische Separatisten“ bezeichnet wurden.[13] Der Bombenangriff auf den Pilar wurde auch genutzt, um das Bild des Aufstands im Ausland zu verbessern. Die Junta Recaudatoria Civil de Defensa Nacional [Ziviles Sammelkomitee der Nationalen Verteidigung] schickte einen Brief an den Herausgeber der The Times, um das Bild zu vermitteln, Opfer „marxistischer“ Bombenangriffe zu sein. Der Saragossaner Unternehmer Santiago Rohrbach verfasste einen Bericht, der die französische Regierung erreichen sollte und die Bombardierungen von Zaragoza als „Zerstören, Töten, aus bloßer Lust am Zerstören und Töten“ mit Vorsatz und Heimtücke darstellte, während im Gegensatz dazu keine einzige Bombe auf militärische Ziele gefallen sei; die Ziele der „Roten“ seien kirchliche Gebäude, Krankenhäuser, Waisenhäuser und Privathäuser gewesen. Der Text wurde schließlich von der Junta Recaudatoria Civil de Defensa Nacional selbst abgeschwächt: „man solle nicht übertreiben“.[3]

Theorien

Wie oben dargestellt, führten die Ereignisse von Beginn an zu sehr unterschiedlichen Deutungen. Die Vorstellung, dass die Bomben durch ein Wunder der Jungfrau vom Pilar nicht explodierten, war stets sehr populär, wurde jedoch von der Kirche niemals offiziell anerkannt.[10]

Die Theorien konzentrierten sich vor allem auf die wenig wahrscheinliche Tatsache, dass die Bomben nicht explodierten. Eine der verbreitetsten Erklärungen lautet, die Bomben hätten eine Abwurfhöhe von 300 Metern benötigt, um zu detonieren, der Pilot sei jedoch nur in 150 Metern Höhe geflogen, „über die Dächer der Stadt hinweg“. Diese Theorie ignoriert den Bericht von Oberstleutnant Manuel Cella.[2][14][15]

Auch ein gewisser Antonio Salueña Lucientes, genannt „Pintamantas“ [Deckenmaler] und aus Fuendetodos stammend, wurde beschuldigt; eine so abenteuerliche wie unglaubwürdige Geschichte. Wenige Tage später meldete Radio Madrid, der Schuldige sei ein Fliegersergeant, Manuel Gayoso Suárez, gewesen, der als Belohnung zum Offizier befördert worden sei.[2]

Studie von Anton Pujol Bertran

Eine neuere Untersuchung von Anton Pujol Bertran in El bombardeo del templo del Pilar. El mito al descubierto (2023) relativiert sowohl die traditionelle Darstellung als auch die späteren Theorien zu den Hintergründen des Angriffs.[7]

Nach Pujols Forschung sei das eingesetzte Flugzeug ein Breguet 19 gewesen und kein Fokker. Der Breguet war ein leichteres und handlicheres Flugzeug, das vom Boden aus und in der Nacht leicht mit dem Fokker verwechselt werden könne.[7][1][12]

Pujol behauptet außerdem, der Pilot sei nicht Gayoso gewesen, sondern der Sergent Emilio Villaceballos García, der die Tat offenbar aus einer spontanen Laune in einer Bar heraus begangen habe:[12]:157

Villaceballos wurde am 8. April 1911 in Madrid geboren und war zu diesem Zeitpunkt Pilot in El Prat. Nachdem er von der chaotischen Lage an der Front gehört hatte, „nervös und verärgert, fasste er Mut. Und ohne Befehl eines Vorgesetzten nahm er seinen Breguet und startete in Richtung Saragossa.“ Offenbar hatte der Chefmechaniker des Flugplatzes El Prat de Llobregat, Joaquim Sangenís, im Gespräch mit Tomàs Pujol Font, dem Vater des Autors Anton Pujol Bertran, beschlossen, die Zünder der Bomben unbrauchbar zu machen. Díaz Sandino soll die Handlungen seines Piloten ignoriert und die Sache auf sich beruhen lassen haben.[12]:158 Villaceballos wurde später für seine Teilnahme an der Verteidigung Barcelonas zum Alférez befördert.[12]:163

Villaceballos gestand seine Urheberschaft in einem Interview mit Manuel Aznar, das am 12. Oktober 1939 in der Zeitung Heraldo de Aragón veröffentlicht wurde. In dem Gespräch erklärte Villaceballos, er habe auf Befehl Sandinos gehandelt.[12]:84–86

Der Pilot war verblüfft, als die Bomben nicht explodierten, und drehte noch einmal eine Runde über den Kuppeln, um zu sehen, was geschehen war. Nach seiner Rückkehr nach El Prat stellte er bei der Überprüfung der beiden verbliebenen Bomben fest, dass die Zünder fehlten, und nahm an, die Bomben seien defekt gewesen. Offenbar war die erste Bombe diejenige, die in den Ebro fiel, die beiden nächsten trafen die Kuppel des Pilar, und die vierte schlug auf der Plaza del Pilar ein; der Pilot war also über den Fluss in Richtung der Basilika eingeflogen.[12]:84–86

Spätere Rezeption

Tafel: „Zwei der drei Bomben, die am 3. August 1936 auf das S.T.M. del Pilar abgeworfen wurden.“

Die Bomben wurden restauriert und vernickelt[10] und in der Kathedrale del Pilar mit einer Tafel aufgehängt, die lautet: „Zwei der drei Bomben, die am 3. August 1936 auf das S.T.M. del Pilar abgeworfen wurden.“[6]

Der Senator Carles Mulet García der Partei Compromís aus der Valencianischen Gemeinschaft forderte die Entfernung der Bomben aus dem Pilar im Einklang mit dem Gesetz des historischen Gedächtnisses. Fernando de Rosa, Sprecher der Volkspartei in der Justizkommission des Senats, äußerte Zweifel, ob das Gesetz angewendet werden könne, da es sich um Privateigentum handle; außerdem bemerkte er, in Mulets Vorgehen sei eine „gewisse Obsession und Theatralik“ zu erkennen.[15]

Literatur

  • Anton Pujol Bertran: El bombardeo del templo del Pilar. (Zaragoza, 3 de agosto de 1636) El mito al descubierto. Comuniter, Zaragoza 2023, ISBN 978-84-18973-33-8 (editorialcomuniter.es).

Einzelnachweise

  1. a b Fran Navarro: Esta iglesia española expone dos bombas de la guerra civil entre santos y vírgenes. In: Muy Interesante. 26. März 2024, abgerufen am 14. Juni 2024.
  2. a b c d Dimas Vaquero Peláez: En la historia y en el recuerdo. Bombardeos sobre la ciudad de Zaragoza durante la Guerra Civil española. In: Rolde: Revista de cultura aragonesa. Nr. 114, 2005, ISSN 1133-6676, S. 18–25 (spanisch, archive.org [PDF; abgerufen am 14. Juni 2024]).
  3. a b c d Ángel Alcalde Fernández: Lazos de Sangre. Los apoyos sociales a la sublevación militar en Zaragoza. La Junta Recaudatoria Civil (1936-1939). Institución «Fernando el Católico» – Consejo Superior de Investigaciones Científicas, Zaragoza 2010, ISBN 978-84-9911-039-4, S. 122 (dpz.es [PDF; abgerufen am 14. Juni 2024]).
  4. Miguel Marín Chivite: Zaragoza. Efectos de los bombardeos en edificios civiles, hospitales y calles de la capital. In: Biblioteca Nacional de España. Abgerufen am 14. Juni 2024 (spanisch).
  5. Cuando Zaragoza fue bombardeada: así sufrió la guerra civil la capital aragonesa. In: El Periódico de Aragón. 26. Februar 2022, abgerufen am 14. Juni 2024 (spanisch).
  6. a b "Atentado salvaje" sobre el Pilar: relato del 3 de agosto de 1936. In: El Heraldo de Aragón. 8. Oktober 2018, abgerufen am 14. Juni 2024 (spanisch).
  7. a b c Iván Trigo: Un libro que pone fin al misterio de las bombas del Pilar. In: El Periódico de Aragón. 17. Dezember 2023, abgerufen am 14. Juni 2024 (spanisch).
  8. 3 de agosto del 36, el día en que se bombardeó El Pilar. In: La Gaceta de la Iberosfera. 4. August 2017, abgerufen am 15. Juni 2024 (spanisch).
  9. Laura Aldama Fernández: Teodoro Ríos Balaguer, arquitecto restaurador e investigador de la basílica del pilar. Proyectos de consolidación (1923-1930). In: La ciudad de Zaragoza de 1908 a 2008. 2009, ISBN 978-84-7820-997-2, S. 353–366 (spanisch, dpz.es [PDF; abgerufen am 14. Juni 2024]).
  10. a b c d e f g h Jesús Crusellas Albián: El extraño caso de las bombas que no explotaron. In: Aragón Digital. 19. Januar 2023, abgerufen am 14. Juni 2024 (spanisch).
  11. a b Pujol Bertran (2023), S. 53–54
  12. a b c d e f g Anton Pujol Bertran: El bombardeo del templo del Pilar. (Zaragoza, 3 de agosto de 1936) El mito al descubierto. Comuniter, Zaragoza 2023, ISBN 978-84-18973-33-8 (editorialcomuniter.es [abgerufen am 14. Juni 2024]).
  13. a b Francisco Javier Ramón Solans: Usos públicos de la Virgen del Pilar: de la Guerra de la Independencia al primer Franquismo. Hrsg.: Pedro Rújula López, Mercedes Yusta Rodrigo. Universidad de Zaragoza, 2012, S. 439 ff. (spanisch, unizar.es [PDF; abgerufen am 15. Juni 2024]).
  14. Nacho Viñau: La historia de las bombas que cayeron y no explotaron en la Basílica del Pilar. In: Hoy Aragón. 22. Juni 2022, abgerufen am 19. Juli 2024 (spanisch).
  15. a b Andrés Bartolomé: Compromís no quiere en el Pilar las bombas que lanzó la República. In: La Razón. 8. Februar 2023, abgerufen am 19. Juli 2024 (spanisch).