Ludwig Lehrfreund
Elieser Ludwig Lehrfreund (hebräisch ד"ר לודויג להרפרוינד; * 17. Dezember 1893 in Krakau; † 7. Februar 1954 in Tel Aliv) war ein deutsch-jüdischer Volkswirt, Rechtsanwalt und Sportfunktionär.
Leben und Wirken
Ludwig Lehrfreund wurde als Sohn des Kaufmanns und Getreidehändlers Benjamin Wolf Lehrfreund (1860/1861–1918[1]) und dessen Ehefrau Salomea geb. Ehrlich (1863–1908) geboren. Trotz seines Geburtsortes Krakau war er wie sein Vater deutscher Reichsangehöriger und zunächst glühender Patriot. Die Familie zog um 1901 nach Leipzig um, der erste Nachweis des Vaters im Leipziger Adreßbuch stammt aus dem Jahr 1902.[2] Ludwig Lehrfreund studierte nach dem Besuch eines nichtjüdischen Gymnasiums von 1912 bis 1914 an der Universität Leipzig Nationalökonomie. Im Ersten Weltkrieg unterbrach er das Studium, diente als Offizier im Deutschen Heer, wurde verwundet und geriet lange Zeit in sowjetrussische Kriegsgefangenschaft, die er in einem Lager in Sibirien verbrachte, wo er von dort aber auch in schwedisch-sowjetrussischen Handelsgesellschaften tätig war und reisen konnte. Nach seiner Kriegsgefangenschaft setzte er an der Universität Tübingen 1919/1920 sein Studium fort und wurde dort mit einer Arbeit zur geschichtlichen Entwicklung der deutsch-russischen Handelsbeziehungen promoviert, die zum Standardwerk auf diesem Gebiet wurde.[3]
Im Jahr 1920 war er Gründungsmitglied des Jüdischen Turn- und Sportvereins Bar Kochba Leipzig und des Sportklubs Bar Kochba Leipzig und später langjähriger Vorsitzender des ersten Vereins und dessen Nachfolger Jüdischer Sportverein Bar Kochba. Die nächsten Jahre arbeitete er als Volkswirt in Ost- und Südosteuropa, so war er z. B. von 1923 bis 1925 Direktor der Likörfabrik Alfons Schick in Litauen. 1926 begann er in Leipzig Rechtswissenschaft zu studieren, 1931 wurde er als Rechtsanwalt zugelassen. In Leipzig war Lehrfreund Vorsitzender der Ortsgruppe der Jüdischen Volkspartei[4] sowie Mitglied mehrerer zionistischer Vereine, z. B. der Zionistischen Ortsgruppe Leipzig oder der Vereinigung Radikaler Zionisten Leipzig.[5] Gleichzeitig war er auch Mitglied der SPD. Außerdem war er im Zeitraum zwischen 1933 und 1938 Leiter des Makkabi-Bezirks Mitteldeutschland.[6] In seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt arbeitete er in Leipzig vor allem als Bevollmächtigter für ausgewanderte Juden.[7] Mehrfach hatte Lehrfreund 1933/1934 Treffen mit dem Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler, um sich über die NS-Schikanen gegenüber Leipziger Juden zu beschweren.[8] Nach den Novemberpogromen 1938 floh er aus Leipzig und lebte anschließend zwei Jahre als Anwalt in London. Von 1938 bis 1941 war Lehrfreund Vorsitzender des internationalen jüdischen Sportverbandes Maccabi World Union.
1941 siedelte er nach Tel Aviv über und folgte seiner Frau und seiner Tochter, die schon seit 1939 dort lebten. In Palästina war er aktives Mitglied der Partei der Allgemeinen Zionisten und Mitbegründer der Krankenkasse und Gesundheitsorganisation Kuppat Cholim Maccabi. Hier arbeitete er auch wieder als Rechtsanwalt. In Tel Aviv wurde Lehrfreund Vorsitzender des israelischen Fußballverbandes Israel Football Association und des Sportvereins Maccabi Tel Aviv. 1944 war er an der Aufstellung der Maccabi-Einheit in der Jüdischen Brigade beteiligt.
Lehrfreund starb im Alter von 60 Jahren an einer Herzkrankheit. Er war seit 1923 mit Sonja geb. Isserlis (1903–1979) verheiratet, aus der Ehe ging die Tochter Mia Lehrfreund, später Litvinski, hervor (1924–2017).
Auszeichnungen
- Eisernes Kreuz II. Klasse (1918)
- Goldene Nadel des Makkabi Deutschland (1938)[9]
Schriften
- Die Entwicklung der deutsch-russischen Handelsbeziehungen. Mit einem Vorwort von Melchior Busemann. Carnegie-Verlag Felix Bitterling, Leipzig 1921, DNB 57459003X (dnb.de [abgerufen am 1. Juli 2025]).
Weblinks
- lehrfreund-ludwig.com. Abgerufen am 30. Juni 2025 (hebräisch).
- Ludwig Lehrfreund (1893–1954). In: Sächsische Biografie. Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde, abgerufen am 30. Juni 2025.
- Roland Kaufhold: "Immer größer wird der Druck". Eine Erinnerung an den jüdischen Sportverein Bar Kochba Leipzig, der von 1919 bis 1938 existierte. In: Jüdische Allgemeine. Zentralrat der Juden in Deutschland, 8. November 2020, abgerufen am 30. Juni 2025.
- Former Leadership. Past Chairmen. Dr. Ludwig Lehrfreund. 1939–1941. [Bild von Ludwig Lehrfreund]. In: Maccabi World Union. Abgerufen am 30. Juni 2025 (englisch).
Literatur
- Alexander M. Aurel-Ariely (Hrsg.): Who's who in the State of Israel (= Near and Middle East Who's Who. Band 2). Tel Aviv 1949, ZDB-ID 42243-5, S. 321.
- Immo Eberl, Helmut Marcon (Bearb.): 150 Jahre Promotion an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen. Biographien der Doktoren und Ehrendoktoren 1830–1980 (1984). Theiss, Stuttgart 1984, ISBN 978-3-8062-0409-4, S. 209.
- Joseph Walk: Kurzbiographien zur Geschichte der Juden 1918–1945. Hrsg. vom Leo Baeck Institute, Jerusalem. K. G. Saur, München u. a. 1988, ISBN 978-3-598-10477-0, S. 220.
- Hubert Lang: Zwischen allen Stühlen. Juristen jüdischer Herkunft in Leipzig (1848–1953). Verlag des Biographiezentrums, Kaufering 2014, ISBN 978-3-940210-74-6, S. 451 f.
- Lore Liebscher: Zwischen Identitätsstiftung und Emigration. Der zionistische Turn- und Sportverein Bar Kochba Leipzig (1919–1939). In: Markus Cottin, Detlef Döring, Gerald Kolditz (Hrsg.): Leipziger Stadtgeschichte. Beiträge, Personalia, Rezensionen. Jahrbuch 2011. Sax-Verlag, Beucha und Markkleeberg 2012, ISBN 978-3-86729-102-6, S. 223–270.
- Lorenz Peiffer, Henry Wahlig: Vergessene Wurzeln. Die Geschichte der jüdischen Sportvereine in Leipzig bis 1939. In: Volker Rodekamp (Hrsg.): In Bewegung. Meilensteine der Leipziger Sportgeschichte. Ausstellung im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig (= thema.M. Band 20). Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Leipzig 2018, ISBN 978-3-910034-80-8, S. 58–65.
- Yuval Rubovitch: Mit Sportsgeist gegen die Entrechtung. Die Geschichte des jüdischen Sportvereins Bar Kochba Leipzig. Unter Mitarb von Gerlinde Rohr. Mit Beiträgen von Tüpfelhausen – Das Familienportal e. V. Hentrich & Hentrich, Leipzig 2020, ISBN 978-3-95565-401-6, hier v. a. S. 19–21, 27, 108–110.
Einzelnachweise
- ↑ Lehrfreund, Benjamin / Benjamin Wolf. In: alter-israelitischer-friedhof-leipzig.com. Ephraim Carlebach Stiftung, abgerufen am 26. Juni 2025.
- ↑ Leipziger Adreß-Buch für 1902. Band 81. Alexander Edelmann, 1901, ZDB-ID 2651301-8, S. 606 (slub-dresden.de [abgerufen am 30. Juni 2025]).
- ↑ Andreas Metz: Abenteuer Außenhandel. Die Entstehungsgeschichte des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft. In: Mittel- und Osteuropa – Jahrbuch 2022. Marktanalysen, Fakten, Trends. Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, 2022, S. 10 (ost-ausschuss.de [PDF; 8,4 MB; abgerufen am 30. Juni 2025]).
- ↑ Jüdisches Jahrbuch für Sachsen und Adreßbuch der Gemeindebehörden, Organisationen und Vereine. 1931/32. Ausgabe Leipzig. Mit einem Vorwort von Hardy Fraenkel, Ra'anama. Nachdruck hrsg. von der Ephraim Carlebach Stiftung. Arani, Berlin 1994, ISBN 3-7605-8661-9, S. 147.
- ↑ Jeannine Kunert: Sehnsucht nach Palästina – Zionismus in Leipzig. In: Iris Edenheiser (Hrsg.): Von Aposteln bis Zionisten. Religiöse Kultur im Leipzig des Kaiserreichs. Diagonal-Verlag, Marburg 2010, ISBN 978-3-939346-14-2, S. 40 (uni-tuebingen.de [abgerufen am 30. Juni 2025]).
- ↑ Henry Wahlig: Sport im Abseits. Die Geschichte der jüdischen Sportbewegung im nationalsozialistischen Deutschland. Wallstein, Göttingen 2015, ISBN 978-3-8353-1651-5, S. 118.
- ↑ Stefi Jersch-Wenzel, Reinhard Rürup (Hrsg.): Quellen zur Geschichte der Juden in den Archiven der neuen Bundesländer. Band 4: Staatliche Archive der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen. K. G. Saur, Berlin 1999, ISBN 978-3-598-22444-7, S. 468.
- ↑ Adolf Diamant: Chronik der Juden in Leipzig. [Aufstieg, Vernichtung und Neuanfang]. Verlag Heimatland Sachsen, Chemnitz 1993, ISBN 978-3-910186-08-8, S. 514.
- ↑ 17. Kreistagung des Makkabi. In: Jüdische Rundschau. Band 43, Nr. 86, 28. Oktober 1938, ZDB-ID 545962-X, S. 12 (uni-frankfurt.de [abgerufen am 30. Juni 2025]).