Jüdischer Friedhof (Nördlingen)

Eingangsportal zum jüdischen Friedhof Nördlingen (2012)
Blick vom Eingang über den Friedhof (2012)
Teilansicht der Gräberreihen (2012)

Der jüdische Friedhof Nördlingen ist eine seit 1877 bestehende Begräbnisstätte der jüdischen Gemeinde in der bayerischen Stadt Nördlingen. Er liegt am westlichen Stadtrand am Nähermemminger Weg südlich der Bergmühle und umfasst eine Fläche von rund 1868 m². Auf dem Friedhof befinden sich etwa 230 Grabsteine; die letzte Beisetzung fand 1986 statt.[1]

Neben seiner Funktion als Ruhestätte erinnert die Anlage mit zwei Gedenksteinen sowohl an die im Ersten Weltkrieg gefallenen jüdischen Soldaten als auch an die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung.

Der Friedhof ist als Baudenkmal in die Bayerische Denkmalliste eingetragen.[2]

Geschichte

Nach Angaben des Stadtbibliothekars und Stadtarchivars Ludwig Müller (1831–1910) verfügten die Juden in Nördlingen bereits seit „unvordenklicher Zeit“ über einen eigenen Friedhof, der sich zunächst beim Gotteshaus der Gemeinde befand. Nach der Vertreibung der Juden im Jahr 1348 wurden auf diesem Gelände Wohnhäuser errichtet.[1]

Im Jahr 1378 legte die jüdische Gemeinde erneut einen Friedhof an, der jedoch nur kurze Zeit bestand. Anschließend entstand auf der sogenannten Marienhöhe am Henkelberg (dem ehemaligen Galgenberg) ein neuer Begräbnisplatz,[1] der erstmals 1415 urkundlich erwähnt wurde und bis zur Vertreibung der Juden im Jahr 1506 genutzt wurde.

Mit der Neugründung einer jüdischen Gemeinde ab 1870 entstand auch der Wunsch nach einem eigenen Begräbnisplatz, da die Verstorbenen bis dahin im benachbarten Mönchsdeggingen beigesetzt werden mussten. 1877 erhielt die Gemeinde ein Grundstück am westlichen Stadtrand am Nähermemminger Weg südlich der Bergmühle zugebilligt.[1] Am Eingang wurde zudem ein Taharahaus errichtet.

1944 ließ Bürgermeister Eugen Einberger die Umfassungsmauer des Friedhofs abbrechen, um Baumaterial für Behelfsheime zu gewinnen. Die Arbeiten führte die Hitlerjugend aus; dabei wurden auch Grabsteine beschädigt oder entwendet. Einige weitere Steine nahmen ortsansässige Steinmetze an sich. Nach Kriegsende konnten die meisten Grabsteine zurückgebracht und wieder aufgestellt werden.[1]

1978 musste das Taharahaus wegen Baufälligkeit abgetragen werden. Die letzte Beisetzung auf dem Friedhof erfolgte 1986. Seither befinden sich dort rund 230 Grabsteine.

Gedenksteine

Auf dem Friedhof befinden sich zwei Gedenksteine. Der ältere erinnert an die im Ersten Weltkrieg gefallenen jüdischen Soldaten aus Nördlingen. Die Inschrift lautet:

„Fürs Vaterland seid Ihr gestorben: Wir Ehren Euch. Fürs Judentum habt Ihr erworben das Himmelreich.“

Ein weiterer Gedenkstein wurde 1979 vom Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern errichtet. Er erinnert an die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung und trägt die Inschrift:

„Den Toten zur Ehre und zum ewigen Gedenken an die jüdischen Bürger aus Nördlingen und Umgebung, die in den Verfolgungsjahren 1933–1945 grausam umgekommen sind. Uns Lebenden zur Mahnung, den kommenden Geschlechtern zur eindringlichen Lehre.“

Literatur

  • Klaus-Dieter Alicke: Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum. Band 2: Großbock – Ochtendung. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2008, ISBN 978-3-579-08078-9 (Online-Version).
  • Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. Herausgegeben von der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit München. Bayerische Verlags-Anstalt, Bamberg 1988, ISBN 3-87052-393-X, S. 259–260.
  • Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern. Band I. Hrsg. von Wolfgang Kraus, Berndt Hamm und Meier Schwarz. Erarbeitet von Barbara Eberhardt und Angela Hager unter Mitarbeit von Cornelia Berger-Dittscheid, Hans Christof Haas und Frank Purrmann. Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg im Allgäu 2007, ISBN 978-3-89870-411-3, S. 511–521.
  • Stefan Vogel, Gernot Römer: Wo Steine sprechen... Die jüdischen Friedhöfe in Schwaben. Pröll Verlag, Augsburg, 2000, ISBN 3-9805304-6-9.
Commons: Jüdischer Friedhof (Nördlingen) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e S. Vogel, G. Römer, S. 172.
  2. Denkmalliste für Nördlingen (PDF) beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, Denkmalnummer D-7-79-194-370

Koordinaten: 48° 50′ 54″ N, 10° 28′ 39″ O