Jørgen Breder Stang

Jørgen Breder Stang, Fotografie von 1943

Jørgen Breder Stang (geboren am 24. Mai 1874 in Sarpsborg[1]; gestorben am 25. November 1950 in Oslo) war ein norwegischer Unternehmer und Kunstsammler. Er begründete 1906 eine eigene Reederei und war darüber hinaus in der Holzwirtschaft tätig. Seine Kunstsammlung umfasste vor allem französische Gemälde des Impressionismus und Spätimpressionismus. Die Werke der von Stang und seinen Erben aufgelösten Sammlung finden sich heute in verschiedenen internationalen Museen und Privatsammlungen.[2]

Leben

Harald Sohlberg: Winternacht in Rondane, 1914, Geschenk von Jørgen Breder Stang an die norwegische Nationalgalerie.

Jørgen Breder Stang kam 1874 als Sohn von Mads Wiel Stang (1838–1909) und dessen Frau Anna Catharina Diderikke, geborene Breder (1848–1908), in Sarpsborg zur Welt. Kurz nach seiner Geburt zog die Familie nach Fredrikstad, dem Heimatort seines Vaters. Der Familie Stang gehörte dort ein Sägewerk und Waldbesitz. Sein Vater war darüber hinaus Politiker der Konservativen Partei und zwei Jahre Bürgermeister der Stadt. Jørgen Breder Stang legte 1894 in Fredrikstad sein Abitur ab und ging danach für eine kaufmännische Ausbildung ins Ausland.[1] Nach seiner Rückkehr gründete er 1900 in Kristiania (heute: Oslo) das Speditionsunternehmen IB Stang. 1901 heiratete er Hedevig Peterson (1879–1956). Aus dieser Ehe gingen vier Kinder hervor.

Von 1901 bis 1916 vertrat er die dänische Reederei Det Forenede Dampskibs-Selskab (DFDS) in Norwegen.[1] 1906 gründete er seine eigene Reederei. Deren Schiffsnamen begannen wie der Nachname des Reeders immer mit den ersten drei Buchstaben Sta.[3] Zu den ersten Dampfschiffen gehörten die Stadion und die Standard[1], später folgten weitere Schiffe wie die Stadion II, die Stalheim, die Star und die Stargard.[4] Zunächst befuhren die Schiffe die Route von Norwegen zu den Häfen am Bristolkanal, ab 1909 konnte zudem der Verkehr auf der Strecke von Norwegen nach Stettin aufgenommen werden.[1]

Während des Ersten Weltkrieges verlor die Reederei zwei Schiffe, erzielte jedoch insgesamt sehr hohe Gewinne.[3] Als 1919 das Holzunternehmen der Familie aufgelöst wurde, übernahm Stang große Teile von dessen Waldbesitz. Zusammen mit der Reederei Olsen & Ugelstad begann Stangs Reederei 1932 mit der Aufnahme des Frachtverkehrs zwischen Palästina und dem Vereinigten Königreich sowie weiteren europäischen Häfen.[3] Die auch Jaffa Orange Line genannte Route transportierte vor allem Zirtusfrüchte.[3] Während des Zweiten Weltkrieges verlor Stangs Reederei drei weitere Schiffe.[3]

Stang gehörte den Verwaltungsräten der Unternahmen Hafslund, Odda Smelteverk und des Holzunternehmens seines Schwiegervaters, der A/S M. Peterson & Søn in Moss, an.[1] Stang engagierte sich auf verschiedene Weise für moderne Kunst. Er trug eine umfangreiche Kunstsammlung zusammen und war ab 1922 Vorsitzender des Freundeskreises der norwegischen Nationalgalerie.[5] Gelegentlich trat er als Mäzen in Erscheinung. So schenkte er der Nationalgalerie das Gemälde Winternacht in Rondane[6] von Harald Sohlberg, ein Hauptwerk der symbolistischen Malerei Norwegens. Weiterhin stifte er dem Museum die Skulptur Aphrodite und das Relief Urteil des Paris von Pierre-Auguste Renoir.[7] Stang starb 1950 in Oslo. Die von ihm begründete Reederei J. B. Stang bestand bis 1973.[3]

Kunstsammlung

Ein genauer Bestand der Kunstsammlung von Stang ist nicht bekannt. Die Sammlung entstand innerhalb weniger Jahre ab etwa 1914 und vor allem nach dem Ersten Weltkrieg. Seit Ende der 1920er Jahre trennte sich Stang jedoch wieder von einer Reihe von Werken und verkaufte diese meist über die Kunsthandlung Alfred Gold in Berlin und ab 1933 in Paris. Hinweise auf seine Sammlung finden sich in Ausstellungskatalogen, Verkaufsunterlagen und Werkverzeichnissen. Schwerpunkt seiner Sammlung waren Werke französischer Künstler des ausgehenden 19. Jahrhunderts und des beginnenden 20. Jahrhunderts. Dabei unterschied er sich kaum von anderen norwegischen Sammlern seiner Zeit wie den Reedern Tryggve Sagen und etwas später Ragnar Moltzau.

Nachgewiesen sind in der Sammlung Stang die Werke Der heilige Stephanus wird von seinen Jüngern weggetragen[8] und Römischer Hirte (heute: Kunstmuseum Basel)[9] von Eugène Delacroix, ein seinerzeit Honoré Daumier zugeschriebenes BIld Das Treffen[10], das Gemälde Junge Frauen am Seineufer (Sommer) von Gustave Courbet (heute: National Gallery, London)[11] und eine dazugehörende Studie (heute: National Gallery of Australia, Canberra)[12], eine Mandolinespielerin von Camille Corot (heute: Museu de Arte de São Paulo)[13][14][15] und ein Bildnis Carolus-Duran von Édouard Manet (heute: Barber Institute of Fine Arts, Birmingham).[16] Ein weiteres Werk von Manet in der Sammlung war das Bildnis Antonin Proust (heute: Musée Fabre, Montpellier)[17]. Manets Schwägerin Berthe Morisot war mit dem Bild Mädchen, sich das Haar richtend vertreten.[18] Zudem befand sich das Gemälde Fluss in Pourville bei Ebbe von Claude Monet[19] und das Edgar Degas zugeschriebene Bild Junge Frau mit einer Hand unterm Kinn in der Sammlung.[20]

Ein Schwerpunkt der Sammlung Stang waren Arbeiten von Pierre-Auguste Renoir, vor allem aus dem Spätwerk des Künstlers. Stangs erste Erwerbung eines Werkes des Malers war 1914 Badende am Strand (heute: Pinacoteca Giovanni e Marella Agnelli, Turin).[21] Daran schlossen sich weitere Werke an, wie Schlafendes Mädchen (heute: Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz», Winterthur)[22], Gabrielle mit einer Rose und Zwei Junge Frauen im Theater (beide Privatsammlung).[23] Erst 2007 trennten sich Stangs Erben vom Renoirs Gemälde Stehender Akt.[24] Zu den weiteren Werken der Sammlung gehörten die Gemälde Der große Walnussbaum, Raureif im Sonnenlicht, Éragny (heute: Mahmoud-Khalil-Museum, Kairo) und Zwei sich unterhaltende Mädchen unter einem Baum, Pontoise von Camille Pissarro[25], Der Harlekin[26] und je eine Version der Badenden[27] und der Kartenspieler[28] von Paul Cézanne, das Gemälde Olympia (nach Manet)[29] von Paul Gauguin und mit Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir? zudem eines seiner Hauptwerke.[30] Weiterhin gehörten zur Sammlung die Gemäldestudien Personengruppen und zwei Frauen mit Schirmen[31] und Am Strand der Seine sitzender Badender (heute: Nelson-Atkins Museum of Art, Kansas City)[32] von Georges Seurat. Hinzu kamen das Bild Jane Avril auf dem japanischen Sofa von Henri de Toulouse-Lautrec[14][33], die Gemälde Die Schlucht - Les Peiroulets[34] und Die Mousmé[35] von Vincent van Gogh sowie Hafen von Marseilles und Quai des Grands Augustins von Albert Marquet.[36] Ebenfalls in der Sammlung befand sich das Gemälde Junge Holländerin[37] aus der Blauen Periode von Pablo Picasso (heute: Queensland Art Gallery, Brisbane).[38] Hinzu kamen eine Schäferin von Roger de La Fresnaye (heute: Palm Springs Art Museum)[39], eine Stillleben von André Derain[14] ein Gemälde Etretat[14] und eine Zeichnung Frauenkopf von Henri Matisse.[40]

Auszeichnung

Literatur

  • Børre Haugstad: Penger, piker og Paris: kunstsamleren og skipsrederen Jørgen Breder Stang. Schreibtisch Verlag, Oslo 2022, ISBN 978-82-692658-2-8.
  • Einar Hoffstad: Stang, J(ørgen) B(reder). In: Merkantilt biografisk leksikon. hvem er hvem i næringslivet? Yrkesforlaget, Oslo 1935, Seite 711 (Digitale Version bei Projekt Runeberg).
  • Nils Messel: The Impressionist Trail. The What, Whence and Whither of French Masterpieces in Norway. Messel Forlag Oslo und Daniel Katz Gallery London 2019, ISBN 978-82-7631-138-9.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g Stang, J(ørgen) B(reder) in: Einar Hoffstad: Merkantilt biografisk leksikon. hvem er hvem i næringslivet? Yrkesforlaget, Oslo 1935, Seite 711 (Digitale Version bei Projekt Runeberg).
  2. Kaja Korsvold: Skipsrederen bygde opp Norges viktigste kunstsamling. Det aller meste forsvant til utlandet., Artikel in der Zeitung Aftenposten vom 24. April 2022.
  3. a b c d e f J. B. Stang, Biografische Angaben zu Jørgen Breder Stang auf der Website des Oslo Byleksikon.
  4. Bjørn Davidsen: Norske skip i krig 1939-1945
  5. Nils Messel: The Impressionist Trail. The What, Whence and Whither of French Masterpieces in Norway, S. 129.
  6. Eintrag zum Gemälde Vinternatt i Rondane von Harald Sohlberg auf der Website des norwegischen Nationalmuseums.
  7. Nils Messel: The Impressionist Trail. The What, Whence and Whither of French Masterpieces in Norway, S. 199.
  8. Nils Messel: The Impressionist Trail. The What, Whence and Whither of French Masterpieces in Norway, S. 253
  9. Eintrag zu Römischer Hirte von Eugène Delacroix in der Onlinedatenbank des Kunstmuseums Basel.
  10. Nils Messel: The Impressionist Trail. The What, Whence and Whither of French Masterpieces in Norway, S. 251.
  11. Informationen zum Gemälde Junge Frauen am Seienufer (Sommer) von Gustave Courbet auf der Website der National Gallery.
  12. Eintag zur Studie zu Junge Frauen am Seinufer (Sommer) von Gustave Courbet auf der Website der National Gallery of Australia.
  13. Eintrag zur Mandolinespielerin von Camille Corot Im Onlinekatalog des Museu de Arte de São Paulo.
  14. a b c d Eintrag zu Stang, J. B. im Archiv des Kunsthändlers Jacques Seligmann der Smithsonion Institution in Washington D.C.
  15. Nils Messel: The Impressionist Trail. The What, Whence and Whither of French Masterpieces in Norway, S. 185.
  16. Eintrag zu Bildnis Carolus-Duran von Édouard Manet in der Datenbank der University of Birmingham.
  17. Eintrag zum Gemälde Bildnis Antonin Proust in der Onlinedatenbank des Ministère de Culture.
  18. Nils Messel: The Impressionist Trail. The What, Whence and Whither of French Masterpieces in Norway, S. 150
  19. Wildenstein Nr. 766 in Nils Messel: The Impressionist Trail. The What, Whence and Whither of French Masterpieces in Norway, S. 150
  20. Nils Messel: The Impressionist Trail. The What, Whence and Whither of French Masterpieces in Norway, S. 191.
  21. Informationen zum Gemälde Badende am Strand von Pierre-Auguste Renoir auf der Website der Pinacoteca Giovanni e Marella Agnelli.
  22. Angaben zu Schlafendes Mädchen von Pierre-Auguste Renoir auf der Website der Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz»
  23. Nils Messel: The Impressionist Trail. The What, Whence and Whither of French Masterpieces in Norway, S. 197.
  24. Angaben zum Gemälde Stehendes Mädchen von Pierre-Auguste Renoir auf der Website de Auktionshauses Christie’s.
  25. Nils Messel: The Impressionist Trail. The What, Whence and Whither of French Masterpieces in Norway, S. 150
  26. Nils Messel: The Impressionist Trail. The What, Whence and Whither of French Masterpieces in Norway, S. 169.
  27. Nils Messel: The Impressionist Trail. The What, Whence and Whither of French Masterpieces in Norway, S. 209–210.
  28. Eintrag zu Die Kartenspieler von Paul Cézanne auf der Website des Courtauld Art Institute.
  29. Nils Messel: The Impressionist Trail. The What, Whence and Whither of French Masterpieces in Norway, S. 247.
  30. Nils Messel: The Impressionist Trail. The What, Whence and Whither of French Masterpieces in Norway, S. 248.
  31. Nils Messel: The Impressionist Trail. The What, Whence and Whither of French Masterpieces in Norway, S. 150
  32. Angaben zum Gemälde Am Strand der Seine sitzender Badender auf der Website des Nelson-Atkins Museum of Art.
  33. Angaben zu Werk Jane Avril auf dem japanischen Sofa von Henri de Toulouse Lautrec auf der Website des Auktionshauses Christie’s.
  34. Nils Messel: The Impressionist Trail. The What, Whence and Whither of French Masterpieces in Norway, S. 137.
  35. Informationen zum Gemälde Die Mousmé von Vincent van Gogh auf der Website der National Gallery of Art.
  36. Nils Messel: The Impressionist Trail. The What, Whence and Whither of French Masterpieces in Norway, S. 117.
  37. Nils Messel: The Impressionist Trail. The What, Whence and Whither of French Masterpieces in Norway, S. 112.
  38. Angaben zum Gemälde auf der Website der Queensland Art Gallery.
  39. Nils Messel: The Impressionist Trail. The What, Whence and Whither of French Masterpieces in Norway, S. 117.
  40. Nils Messel: The Impressionist Trail. The What, Whence and Whither of French Masterpieces in Norway, S. 117.