Herwig Wakonigg
Herwig Wakonigg (* 17. Juli 1942 in St. Margarethen bei Knittelfeld; † 28. September 2023 in Graz) war ein österreichischer Geograph, Glaziologe und Hochschullehrer.
Von 1982 bis 2008 war er Inhaber des Lehrstuhls für Physische Geographie an der Universität Graz und damit der längst dienende Lehrstuhlinhaber in der Geschichte des jetzigen Instituts für Geographie und Raumforschung.
Leben und Wirken
Herwig Wakonigg wurde am 17. Juli 1942 in der obersteirischen Gemeinde St. Margarethen bei Knittelfeld geboren, wo er auch aufwuchs. In St. Margarethen sowie der nahen Bezirkshauptstadt Knittelfeld absolvierte er seine Schulausbildung und maturierte am Knittelfelder Gymnasium. Durch seinen Vater, der als begeisterter Geograph zurückgelassene Kartensammlungen im Zuge der Kriegswirren in Bündeln nach Hause schleppte, wurde das Interesse des Sohnes an Karten geweckt und gefördert. Nach der Ablegung der Reifeprüfung inskribierte er 1961 an der Universität Graz in den Fächern Geographie und Englisch (später Geschichte) und schloss sein Studium 1967 mit dem Doktorat der Philosophie ab. Die Kartensammlung seines Vaters erwies sich während des Studiums als wertvolle Hilfe und erleichterte ihm und seinen Kommilitonen die Bearbeitung kartographischer Aufgaben.
Bereits während seines Studiums unter Sieghard Morawetz oder Herbert Paschinger war er am damaligen Geographischen Institut als wissenschaftliche Hilfskraft tätig und wurde unmittelbar nach dem Erwerb des Doktorats als Universitätsassistent an der Grazer Geographie angestellt. Mit seiner Dissertation Witterungsklimatologie der Steiermark, die 1970 noch einmal im Verlag Notring veröffentlicht wurde, drang er in ein damals noch junges Forschungsgebiet ein. Neben der Klimageographie setzte er sich noch früh in seiner wissenschaftlichen Laufbahn mit der Gletscherkunde einen weiteren Forschungsschwerpunkt. Im Jahr 1971 übernahm er die Leitung der alljährlichen Gletschermessungen an der Pasterze (am Fuße des Großglockners), dem bis heute größten Gletscher Österreichs und längsten der Ostalpen. Sein klimatologisches Wissen wandte er dabei auch in glaziologischen Fragen an. Bis 1990 stellte er sich jeden September den oft schwierigen Wetterbedingungen am Fuße des Großglockners und veröffentlichte die ermittelten Daten aus dem Gletschermonitoring in zahlreichen Publikationen.
In den 1970er Jahren widmete er sich verstärkt seiner Habilitationsschrift Witterung und Klima in der Steiermark, die 1978 in Buchform erschien und bis heute als umfassendste Monografie und maßgebliches Standardwerk zum Thema gilt. Ab dieser Zeit prägte er die Forschung an der Grazer Geographie maßgeblich, indem er durch Vergabe zahlreicher Diplomarbeiten und Dissertationen den Schwerpunkt stark auf angewandte Gelände-, Stadt- und Umweltklimatologie verlagerte. Im Jahr 1982 folgte er dem Ruf auf die Planstelle eines Ordentlichen Universitätsprofessors für Geographie an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz und trat dabei die Nachfolge von Herbert Paschinger als Inhaber des Lehrstuhls an. Nach seiner Habilitation für Geographie mit besonderer Berücksichtigung der Physiogeographie vier Jahre zuvor blieb er auch als Ordentlicher Universitätsprofessor in der Forschung stets der Klimageographie treu. Dabei reicht das Spektrum von der Witterungsklimatologie, in der er mehrfach methodisch Neuland erschloss, über die Analyse verschiedener Witterungsphänomene bis hin zu regionalen Klimatographien, denen er eine klare und nachvollziehbare methodische Struktur verlieh. Während seines Wirkens an der Universität Graz wurde an seinem Institut auch eine eigene Abteilung für Klimageographie eingerichtet. Die sogenannten „unterkühlten Schutthalden“ verdienten als spezielles Forschungsfeld der letzten Jahre besondere Beachtung, ergänzt durch Wakoniggs gletscherkundlichen Arbeiten und verschiedene grundlegende Beiträge zu geographischen Arbeitsmethoden.
Wie aus einem Schreiben anlässlich seines 60. Geburtstags hervorgeht, hatte die Lehrtätigkeit an der Universität für Wakonigg stets einen hohen Stellenwert. In Vorlesungen, Seminaren und Exkursionen vermittelte er ein inhaltlich und didaktisch außergewöhnlich hohes Niveau, deckte eine breite Themenvielfalt ab und legte besonderen Wert darauf, den Studierenden eine integrative und transdisziplinäre Sichtweise weit über die Physische Geographie hinaus nahezubringen. Ab den 1980er Jahren hatte Wakonigg neben seiner lehrenden Tätigkeit auch das Amt als Vorsitzender der Studienkommission Geographie inne. Als solcher war er auch maßgeblich an der Erstellung eines neuen Studienplans für das Diplomstudium Geographie, der ab dem Wintersemester 2000 in Kraft trat, beteiligt. Generell trugen die Studienpläne der 1990er und frühen 2000er Jahre ganz wesentlich seine Handschrift. Damit war er maßgeblich verantwortlich für die reibungslose Umstellung der geographischen Ausbildung auf das neue Bologna-System sowie für die Diversifizierung der Studiengänge. Zudem übernahm Herwig Wakonigg zeitweise die Leitung des Instituts und engagierte sich in zahlreichen universitären Arbeitsgruppen und Gremien. Ab dem Jahr 1997 – laut anderen Quellen auch 1998 – bis 2015 war er zudem Präses der Zweigstelle Graz der Österreichischen Geographischen Gesellschaft. Die Schwerpunkte dieser Tätigkeit lagen im Science-to-Public-Bereich, wobei er die Organisation der Vortragsreihe Geographisches Kolloquium und die Entwicklung der Zeitschrift GeoGraz vorantrieb, die sich an Studierende, Alumni und ein interessiertes Publikum richtete.
Im Jahr 2008 erfolgte die Emeritierung Wakoniggs; sein Nachfolger als Inhaber des Lehrstuhl für Physische Geographie wurde Ulrich Strasser. Auch nach seiner Emeritierung blieb er dem Institut noch viele Jahre als Lehrender und Forscher erhalten. Rund um diese Zeit veröffentlichte er im Lit Verlag auch einige Publikationen wie Klima im Wandel (2007), Die ostatlantischen Vulkaninseln (2009) oder Zahlen in unserer täglichen Umwelt (2015). Federführend war der gebürtige Obersteirer auch am Klimaatlas Steiermark (Franz Prettenthaler (Ed.), Alexander Podesser (Ed.) und Harald Pilger (Ed.)) beteiligt. Im Jahr 2016 erhielt er von Präsident Helmut Wohlschlägl die Ehrenmitgliedschaft in der Österreichischen Geographischen Gesellschaft verliehen. In Würdigung seiner Leistung erneuerte die Universität Graz im Jahr 2017 seine Doktorwürde (Goldene Promotion).[1] Zudem engagierte sich Wakonigg über Graz hinaus in der universitätsübergreifenden Interessenvertretung der Geographie auf gesamtösterreichischer Ebene. Am 9. Juni 2022 fand anlässlich des 80. Geburtstags Wakoniggs am 17. Juli 2022 ein Festkolloquium (mit Festvortrag von Martin Seger) statt.
Am 28. September 2023 starb Wakonigg nach langem, schweren Leiden 81-jährig in Graz. Am 13. Oktober 2023 wurde er im engsten Familien- und Freundeskreis im Friedwald Schöcklland in Kumberg beerdigt.[2][3] Er hinterließ seine Ehefrau Waltraud sowie zwei Töchter mit ihren Familien.[2][3]
Publikationen (Auswahl)
- 1967: Witterungsklimatologie der Steiermark (Dissertation); Veröffentlichung im Verlag Notring: 1970
- 1978: Witterung und Klima in der Steiermark (Habilitation)
- 1993: Sieghard Morawetz – Ein Nachruf. In: Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft. 135, 1993, S. 275–280 (zobodat.at [PDF]).
- 1996: Unterkühlte Schutthalden. In: Wilhelm Leitner (Hg.): Beiträge zur Permafrostforschung in Österreich. Arbeiten aus dem Institut für Geographie der Universität Graz, 33, S. 209–223 (zobodat.at [PDF]).
- 2007: Klima im Wandel, Lit Verlag
- 2009: Die ostatlantischen Vulkaninseln. Azoren, Madeira Archipel, Kanaren, Kapverden. Ihr Natur-, Wirtschafts- und Kulturraum, Lit Verlag
- 2015: Zahlen in unserer täglichen Umwelt. Wie man sie versteht, wie man sie sich vorstellen kann und wie man ihren Fehlern auf die Schliche kommt, Lit Verlag
Literatur
- Peter Čede, Gerhard Karl Lieb: Herwig Wakonigg – 60 Jahre. In: Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft, 144. Jg., Wien 2002, S. 265–267 (zobodat.at [PDF]).
- Friedrich M. Zimmermann, Gerhard Karl Lieb: Herwig Wakonigg zum Sechziger. In: Kontinuität und Wandel in der Kultur- und Naturlandschaft. Festschrift für Herwig Wakonigg. (Grazer Schriften der Geographie und Raumforschung, Bd. 38), Graz 2002, S. 5–14.
- 2002 – zwei „runde“ Geburtstage an unserem Institut. In: GeoGraz, Heft 31, S. 1.
- Judith Pizzera: Herwig Wakonigg, Grazer Geographielegende, und seine Ausbildungs- und Wirkungsstätte im Portrait. In: GeoGraz, Nr. 69, 2021, S. 8–9 (zobodat.at [PDF]).
- Gerhard Karl Lieb: Herwig Wakonigg – Eine Würdigung anlässlich der Vollendung seines 80. Lebensjahres. In: Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft, 164. Jg., Wien 2022, S. 411–414 (zobodat.at [PDF]).
- Gerhard Karl Lieb: Herwig Wakonigg (1942 bis 2023) – Ein Nachruf. In: Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft, 165. Jg., Wien 2023, S. 409–410 (zobodat.at [PDF]).
Weblinks
- Herwig Wakonigg. In: ZOBODAT.at. OÖ Landes-Kultur GmbH
- Nachruf – Herwig Wakonigg (1942–2023) auf der offiziellen Webpräsenz des Instituts für Geographie und Raumforschung der Universität Graz
Einzelnachweise
- ↑ Goldes wert, abgerufen am 28. August 2025
- ↑ a b Parte von Herwig Wakonigg auf der offiziellen Webpräsenz der Bestattung Großschädl, abgerufen am 27. August 2025
- ↑ a b Parte von Herwig Wakonigg auf der offiziellen Webpräsenz der Kleinen Zeitung, abgerufen am 27. August 2025
