Heinz Schneider (Mediziner)

Heinz Schneider, 1967

Heinrich „Heinz“ Schneider (* 7. Januar 1934 in Schlackenwerth (Kreis Karlsbad), Tschechoslowakei; † 13. August 2022[1] in Prenzlau) war ein deutscher Diabetologe und Medizinhistoriker.

Werdegang

Heinrich Schneider, Rufname Heinz, war das zweite Kind von Anna Schneider, geb. Glaser, und Rudolf Schneider. Die Eltern entstammten dem Arbeiter- bzw. dem bäuerlichen Milieu. Ein älterer Bruder Rudi (geb. 1928) und eine jüngere Schwester Gerti (geb. 1940) wuchsen mit ihm in finanziell ärmlichen Verhältnissen, aber unter dem Eindruck politisch agierender Eltern auf. Nach dem Krieg wurde die Familie 1946 aus dem Egerland in die sowjetische Besatzungszone nach Dömitz ausgesiedelt bzw. vertrieben. 1948 kam sein Vater, der der KPD sehr nahe stand, aus der französischen Kriegsgefangenschaft zurück. Seine Mutter war Sozialdemokratin. Im Zuge der Vertreibung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei in den Jahren 1945 und 1946 siedelte die Familie nach Dömitz in Mecklenburg um, wo Heinz Schneider die Schule beendete.

Seit 1952 war Schneider Angehöriger der Kasernierten Volkspolizei, wo er sich in der Nähe von Schwerin zum Feldscher ausbilden ließ. 1953 folgte die Sonderreifeprüfung an der Universität Leipzig, wo er auch sein Medizinstudium begann, das er von 1955 bis 1958 in Greifswald fortsetzte. Kurz vor seinem Staatsexamen wurde Schneider, der sich weigerte in die SED einzutreten, am 07.10.1958 exmatrikuliert und aus der NVA entlassen. Nach seiner „Bewährung in der Produktion“ als Hilfsarbeiter in der Landwirtschaft gelang ihm 1959 die Re-Immatrikulation an der Universität Rostock und der Abschluss eines zivilen Staatsexamens an der Universität Greifswald, wo er 1962 promovierte. Am 23.07.1960 heiratete er seine Frau Thea in Mahlow, die er während seines Strafeinsatzes in der Landwirtschaft kennengelernt hatte. Aus dieser Ehe gingen die Kinder Heidrun (geb. 13.01.1961), Elke (geb. 21.02.1962) und Sabine (geb. 16.01.1963) hervor. 1967 nahm er seine Tätigkeit am Prenzlauer Kreiskrankenhaus auf. Noch im selben Jahr wurde er im Alter von 33 Jahren Chefarzt der neu geschaffenen Diabetesabteilung, die noch bis 1990 im Dominikanerkloster untergebracht war. Diese Funktion übte er bis zum Erreichen des Rentenalters fast 32 Jahre aus. Trotz widriger Umstände gelang es Schneider, seine wissenschaftlichen Forschungen umzusetzen. Er publizierte mehr als 100 wissenschaftliche Arbeiten, die u.a. in der Bundesrepublik, Frankreich, Polen, der Slowakei, in Tschechien und den USA erschienen. Nach dem Fall der Mauer trat Schneider in die SPD ein. Von 1990 bis 1994 war er Abgeordneter des Prenzlauer Kreistages und stellv. Vors. desselben. Zeitgleich wirkte er auch als Mitglied der Stadtverordnetenversammlung in Prenzlau. Im Spätherbst 1998 trat er in den Ruhestand und zog mit seiner Frau nach Blankenfelde bei Berlin. Im Jahr darauf erhielt er am 13.05.1999 für sein Lebenswerk die „Gerhardt-Katsch-Medaille“. Zwei Jahre später wurde er mit dem „Preis der Stadt Prenzlau für Verdienste um die Stadt“ geehrt. Als unter Regierungsbeteiligung der SPD die Mehrwertsteuer zum 01.01.2007 auf 19 Prozent und das Rentenalter auf 67 angehoben wurden, trat Schneider aus der SPD aus. Nach seinem Ausstieg aus dem Berufsleben befasste er sich u.a. mit der Geschichte der Diabetologie sowie zeitgeschichtlichen Themen, die häufig seine eigene Biografie betrafen. 2011 gab er seine Autobiografie „DIE NORMALITÄT DES ABSURDEN“ heraus. Von 2011 bis 2019 wirkte er als Mitautor von mehreren Anthologien. 2019 erschien von B. Wegner und Heinz Schneider im REGIA-Verlag das Taschenbuch „WEGBEREITER DER DIABETOLOGIE IN DEUTSCHLAND“. Im April 2020 zog Dr. Schneider gemeinsam mit seiner Ehefrau wieder nach Prenzlau, wo er in der Steinstraße eine neue Wohnung bezog. Zuvor hatte er über zwei Jahrzehnte in Blankenfelde-Mahlow (bei Berlin), dem Geburtsort seiner Ehefrau, gelebt. Dr. Schneider starb in Prenzlau am 13.08.2022.

Wissenschaftliche Arbeiten (Auswahl)

  • H. Schneider, H.-J. Ziegelasch: Assoziierte kardiovaskuläre Risikofaktoren beim Borderline-Diabetes. Zeitschrift für Alternsforschung 35/2 (1980)177-184
  • H. G. Schneider, H. Schneider und Th. Thormann: Generalisierte diabetische Dermangiopathie. Z. Hautkr. 55 (1980), 441 – 447
  • G. Dörner, H. Thoelke, A. Mohnike und H. Schneider: High Food Supply in Perinatal Life Appears to Favour the Development of Insulin-Treated Diabetes Mellitus (ITDM) in Later Life. Experimental and Clinical Endocrinology 85 (1985) 1-6
  • E. Zander, B. Schulz, E. Jutzi, R. Templin, K. Zenker und H. Schneider: Frequency and Therapy of End-stage Renal Disease due to Diabetic Nephropathy in the German Democratic Republic. The Journal of Diabetic Complications 3 (1989), 120 -123
  • H. Schneider und E. Jutzi: Prognose von Diabetikern. Einflüsse von Manifestationsalter, antidiabetischer Therapie und Körpergewicht – eine Untersuchung aus dem Bezirk Neubrandenburg. Münchn. Med. Wochenschrift 132 (1990), 639 - 642
  • H. Schneider, M. Lischinski und E. Jutzi: 29-year-Follow-up Mortality Study in a Diabetes Cohort from a rural District. Diabete & Metabolisme (Paris), 19 (1993), 152 - 158
  • K. P. Ratzmann, K. Gorr und H. Schneider: Prävalenz diabetesbedingter Erblindungen. Eine Populationsstudie an 70.203 Diabetikern. Diabetes und Stoffwechsel 2 (1993), 261 - 264
  • H. Schneider, W. Ehrlich, M. Lischinski und F. Schneider: Bewirkte das flächendeckende Glukosurie-Screening der 60-er und 70-er Jahre im Osten Deutschlands tatsächlich den erhofften Prognosevorteil für die frühzeitig entdeckten Diabetiker? Diabetes und Stoffwechsel 5 (1996), 33 - 38

Schriftstellerische Arbeiten/Werke (Auswahl)

Auf Drängen einiger Kollegen und Freunde verfasste Heinz Schneider seine Autobiografie Die Normalität des Absurden[2], die 1958 in zwei Gedächtnisprotokollen begonnene Niederschrift seiner Lebensgeschichte, welche 2011 im Spiegelberg Verlag erschien.

2019 veröffentlichte Bernd Wegner mit ihm den Ärzte-Biographieband Wegbereiter der Diabetologie.[3]

2021 veröffentlichte Heinz Schneider das Buch D.N.A. 2.0 – Nachträge zu „Die Normalität des Absurden“ in der Edition Winterwort Borsdorf, ISBN 978-3-96014-849-4.

Des Weiteren erschienen Buchrezensionen und Artikel in Fachzeitschriften.

Auszeichnungen und Würdigungen

1987 erhielt er die „Gerhardt-Katsch-Medaille“ vom Koordinierungsrat der Medizinisch-Wissenschaftlichen Gesellschaften der DDR für sein Lebenswerk sowie 1999 dieselbe Auszeichnung zum 2. Mal, diesmal in der gesamtdeutschen Version von der Deutschen Diabetes-Gesellschaft „in Würdigung seiner besonderen Verdienste um die Weiterbildung in der Diabetologie und die Schulung von Patienten“. Damit ist Heinz Schneider einer von 3 Medizinern, die diese Würdigung sowohl in der DDR als auch der Bundesrepublik erhielten. Der Deutsche Diabetikerbund würdigte ihn mit der Silbernen Ehrennadel. 2001 wurde er für seine politische Tätigkeit als Abgeordneter mit dem „Preis der Stadt Prenzlau für Verdienste um die Stadt“ geehrt.[4][5] Für den Zeitraum vom 7. März 1958 bis 29. Januar 1959 erfolgte 2007 die Anerkennung als politisch Verfolgter im Sinne des beruflichen Rehabilitierungsgesetzes.

Schneider war Ehrenmitglied des Deutschen Diabetikerbundes, LV Brandenburg, des Deutschen Diabetesmuseums Grasleben und der Diabetiker-Selbsthilfegruppe Neubrandenburg sowie „Verdienter“ des Polnischen Diabetikerverbandes.

Privatleben

Seit 1960 war Heinz Schneider mit Thea Schneider verheiratet, sie hatten drei Töchter, von denen Sabine 2006 und Heidrun 2009 verstarben, während Elke sich um die hochbetagten Eltern kümmerte. Seit April 2020 lebte das Paar wieder in Prenzlau, in der Nähe seiner ehemaligen Wirkungsstätte. Heinz Schneider verstarb in der Nacht zum 13. August 2022 zu Hause im Alter von 88 Jahren. Er wurde am 26. August 2022 auf dem Prenzlauer Friedhof begraben.

Einzelnachweise

  1. Heiko Schulze: Letzter Wunsch von Dr. Schneider erfüllte sich. In: Nordkurier. Nordkurier, 18. August 2022, abgerufen am 10. Januar 2024.
  2. Heinz Schneider: Die Normalität des Absurden. 1. Auflage. Spiegelberg-Verlag, Angermünde 2011, ISBN 978-3-939043-36-2.
  3. Bernd Wegner, Heinz Schneider: Wegbereiter der Diabetologie in Deutschland. 1. Auflage. Regia-Co-Work, Cottbus 2019, ISBN 978-3-86929-433-9 (dnb.de [abgerufen am 22. November 2020]).
  4. Übersicht der Preisträger der Stadt Prenzlau von 1992-2019 (Memento des Originals vom 22. Oktober 2020 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.prenzlau.eu, auf prenzlau.eu, abgerufen am 14. November 2020
  5. 2001 Dr. Heinz Schneider. Uckermärkischer Geschichtsverein zu Prenzlau, abgerufen am 28. August 2020 (Erhalt des „Preis der Stadt Prenzlau für Verdienste um die Stadt“). Dort zitiert nach Jürgen Theil: Prenzlauer Stadtlexikon und Geschichte in Daten. Uckermärkischer Geschichtsverein, Prenzlau 2005, ISBN 3-934677-17-7. Und dort zitiert nach Heimatkalender Prenzlau 2002. 2001, S. 126.7. Theil, Jürgen: Nachruf für Dr. Schneider, in: Mitteilungen des Uckermärkischen Geschichtsvereins zu Prenzlau e.V., Heft 30, Prenzlau 2022, S. 280f.