Halbrundes Pflasterband vor der Adam-Karrillon-Straße 23

Draufsicht Pflasterband 2025
Pflasterband mit Erinnerungstafel 2025
Bombenschäden ehem. Schulstraße 23

Das halbrunde Pflasterband vor der Adam-Karrillon-Straße 23 in Mainz erinnert an die Opfer eines Luftangriffs im Ersten Weltkrieg am 9. März 1918. Das Ereignis wurde von Anna Seghers und Carl Zuckmayer literarisch verarbeitet. Die in den Bürgersteig eingelassene Markierung wurde unter Denkmalschutz gestellt.

Ereignisse

Luftangriffe auf Städte waren im Ersten Weltkrieg noch selten. Deutsche Zeppeline haben London bombardiert, und französische und britische Flugzeuge verursachen Verluste an Menschen sowie Sachschäden in deutschen Städten. Feindliche Flugzeuge in Richtung Mainz sollten einer Wache in der Schillerschule telefonisch gemeldet werden. Die Wache sollte die Bevölkerung dann mit Raketen und Böllern warnen.[1]

Vor dem Fliegerangriff am 9. März 1918 um 13:30 Uhr war die Wache jedoch in der Mittagspause, so dass keine Warnung an die Bevölkerung herausging.[1] Die 55. Staffel des Royal Flying Corps, das 1916 aufgestellt und 1918 bei Nancy stationiert wurde, warf Bomben über der Neustadt, Oberstadt, über dem Markt und dem Eisenturm in der Altstadt sowie über Kastel und Mombach ab. Durch den Angriff starben nach einer Meldung des Polizeiamts vom 10. März 1918 elf Menschen, sieben Zivilpersonen und vier Angehörige des Militärs. 54 Gebäude wurden beschädigt.[2]

Die von Hand aus dem Flugzeug geworfenen Explosionswaffen schlugen in der Neustadt auf dem Bürgersteig vor dem Lebensmittelgeschäft von Friedrich Gallei, Schulstraße 23 (heute Adam-Karillon-Straße 23), ein. Ein vorbeilaufender Soldat kam auf der Straße ums Leben. In der Schulstraße 17 wurde ein achtjähriges Mädchen, Trudel Kohl, schwer verletzt. Sie verstarb ein halbes Jahr später.[1] Bei Eduard Goldschmidt, dem Großvater von Carl Zuckmayer in der Schulstraße 23, starb das Dienstmädchen Katharina Winsiffer, das 16-jährige Dienstmädchen Elisabeth Mappes aus Grünstadt und drei Wochen später ihre ebenfalls schwer verletzte 49-jährige Tante Marie Mappes, eine weitere Hausangestellte.[3] Die 29-Jährige Meta Cahn, mehrfache Mutter sowie die Tochter des Rabbis und bekannten Vertreter der Austrittsorthodoxie Me'ir ha-Kohen Altmann (1852–1932), wurde an der Ecke Forsterstraße/Schulstraße durch die Wucht der Detonation gegen einen Baum geschleudert und verstarb ebenfalls.[4]

Gedenken

Öffentlich

Großherzog Ernst-Ludwig und Eleonore zu Solms-Hohensolms-Lich ließen durch ihr Hofmarschallamt ein Beileidstelegramm übersenden. Oberbürgermeister Karl Göttelmann und die Stadt Mainz organisierten Trauerfeierlichkeiten. An der Unglücksstelle wurde das Trottoir zuerst mit einem schwarzen, gepflasterten Kreuz in weißen Kalksteinen gekennzeichnet. Da die Familie Cahn jüdischen Glaubens war, wurde das Kreuz später entfernt. Heute rahmt ein schwarzer Pflasterkreis das weiße Innere.[1] Heute steht die Pflasterung unter Denkmalschutz.[5]

Im Jahr 1993 wurde nahe des Pflasterbands eine Stele mit Erläuterungen zur Erinnerung an das Ereignis errichtet.[1] Sie wurde durch Spenden von Angehörigen des Ortsbeirats der Neustadt und Schülerinnen und Schülern des Rabanus-Maurus-Gymnasiums finanziert. Als in der Straße verstorben werden Meta Cahn, Maria Willmuth, Elisabetha Mappes (statt Elisabeth) und Katharina Winsiffer genannt. Die Nennung der Toten bezieht sich auf den 9. März 1918. Beim gleichen Angriff wurden der 14-jährige Adam Hofmann und der Festungsbauwart Richard Flöter sowie die Soldaten Heinrich Wörner und Willi Schmitt getötet.[6]

Privat

Grabmal von Meta Cohn auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in Mainz

Auf dem Neuen Jüdischen Friedhof ist das Grabmal von Meta Cohn erhalten. Die Grabinschrift lautet nach der Übersetzung aus dem Hebräischen von Andreas Leonhardt:[4]

Hier ist geborgen
eine teure und geschätzte Frau
Tochter von Großen, eine Stillende,
Meta Cohn
Tochter des Chaver Rabbi Me'ir ha-Kohen Altmann
aus Karlsruhe, Frau des Rabbi Ja'aqov ha-Kohen,
bekränzt mit guten Tugenden und Eigenschaften,
eine schöne Frau, von gutem Verstand, sie wurde fortgenommen,
ganz plötzlich, von ihrem Ehemann, durch
eine Bombe (Esh mitlaqahat betokh barzel), welche man warf in der Luft
fliegend auf die Erde, in den Tagen
des Krieges, und die Stillende verstarb noch auf dem Wege
nach Hause, als sie zum Mahle am heiligen Shabbat eilte.
zur großen Bestürzung ihres Mannes und ihrer Eltern
sowie all ihrer Verwandten und ihrer zahlreicher Verehrer,
entwich ihre Seele in Reinheit am Heiligen Shabbat,
Wochenabschnitt Ha-Chodesh, 25. Adar. Und sie wurde bestattet mit
sehr großen Ehren und mit bitterem und herben Klagegesang
Am Tag 2 (Montag), 27. Adar 618 [1918], nach der kleinen Zählung,
Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens (vgl. 1. Sam 25,29).

Auf dem Friedhof Grünstadt befindet sich ein steinernes Kreuz mit den Namen Elisabeth Mappes und Marie Mappes bei den Kriegsgräbern. Die Familie überließ dem Heimatmuseum persönliche Gegenstände der Frauen.[3]

Literarisch

Meta Cahn war eine gute Bekannte von Hedwig Reiling, der Mutter von Anna Seghers. Seghers plante bereits um 1940, die Geschichte der durch eine Bombe getöteten Frau als Anfang für eine Novelle unter dem Titel Mariage blanc (Scheinheirat zur Erlangung eines Paßes) zu verwenden. Dieser Text ging verloren. Sie veröffentlichte das Thema in fiktionalisierter Form erstmals im August 1945 in ihrem Exil in Mexiko in der Demokratischen Post. Inkl. einer Reflexion erschien das Werk unter dem Titel Zwei Denkmäler im Jahr 2004 noch einmal bei Klaus Wagenbach.[4][7]

Carl Zuckmayer nennt das Ereignis in seinen Lebenserinnerungen Als wär’s ein Stück von mir. Horen der Freundschaft, Frankfurt a. M. 1966.[4] Im Kapitel 1896-1914 Ein Blick auf den Rhein beschreibt er, dass die französische [sic] Fliegerbombe 1918 vor dem Haus seines greisen Großvaters „krepierte, den Greis verschonte, aber seine zwei jungen Dienstmädchen in Stücke riß“.

Literatur

  • Angela Schumacher, Ewald Wegner, Landesamt für Denkmalpflege RLP (Hrsg.): Stadt Mainz. Stadterweiterungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, Reihe Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz 2.1, Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms, 2. Auflage 1997, ISBN 3-88462-138-6, S. 40.
  • Hans Berkessel: Zwei Denkmäler, in: Mainzer vierteljahreshefte für Kultur, Politik, Wirtschaft und Geschichte, Heft 4/2010, S. 84–86. Digitalisat
  • Andreas Leonhardt: Familie Herz Cohn, in: Renate Knigge-Tesche, Hedwig Brüchert (Hrsg.): Der neue Jüdische Friedhof in Mainz, Biografische Skizzen zu Familien und Personen, die hier ihre Ruhestätte haben, Sonderheft der Mainzer Geschichtsblätter, Mainz, 2013, ISSN 1435-8026, S. 55–57. Digitalisat
  • Erster Weltkrieg 1914 - 1918, in: Diether Degreif, Werner Winter (Hrsg.): Mainz. Glanz und Inferno 1870 - 1950, Winter Publishing Company, Heusenstamm, 2020, S. 105.
Commons: Adam-Karillon-Straße 23 (Mainz) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Christoph Bathelt: Bombenkrieg. In: Der Spiegel. 15. April 2008, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 1. September 2025]).

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b c d e Christoph Bathelt: Bombenkrieg. In: Der Spiegel. 15. April 2008, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 1. September 2025]).
  2. Erster Weltkrieg 1914 - 1918. In: Diether Degreif, Werner Winter (Hrsg.): Mainz. Glanz und Inferno 1870 - 1950. Winter Publishing Company, Heusenstamm 2020, S. 105.
  3. a b Bombensplitter mitten ins Herz: So starb eine 1918 eine junge Grünstadterin - Grünstadt. 9. März 2024, abgerufen am 1. September 2025.
  4. a b c d Andreas Leonhardt: Familie Herz Cohn. In: Renate Knigge-Tesche, Hedwig Brüchert (Hrsg.): Der neue Jüdische Friedhof in Mainz, Biografische Skizzen zu Familien und Personen, die hier ihre Ruhestätte haben. Sonderheft der Mainzer Geschichtsblätter. Mainz 2013, S. 55–57.
  5. Adam-Karillon-Straße o. Nr. In: Angela Schumacher, Ewald Wegner, Landesamt für Denkmalpflege RLP (Hrsg.): Stadt Mainz. Stadterweiterungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. 2. Auflage. Reihe Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz 2.1. Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 1997, S. 40.
  6. Text auf dem Mahnmal vor Ort, Stand 2. September 2025.
  7. Hans Berkessel: Zwei Denkmäler. In: Mainzer vierteljahreshefte für Kultur, Politik, Wirtschaft und Geschichte, Heft 4/2010, S. 84-86. Abgerufen am 2. September 2025.

Koordinaten: 50° 0′ 25,7″ N, 8° 15′ 50,2″ O