Gerhard Casper

Gerhard Casper (2014)

Gerhard Casper (* 25. Dezember 1937 in Hamburg) ist ein deutsch-amerikanischer Verfassungsjurist und Jura-Professor. Casper war von 1992 bis 2000 Präsident der Stanford University in Kalifornien und von Juli 2015 bis Juli 2016 Interimspräsident der American Academy in Berlin.[1] Von August 2019 bis Januar 2020 war Casper Trustee-in-Residence der American Academy in Berlin.

Er ist Senior Fellow des Freeman Spogli Institute for International Studies (FSI) der Stanford-Universität[2] und Senior Fellow des Stanford Institute for Economic Policy Research (SIEPR)[3]. Casper ist außerdem Peter and Helen Bing Professor, Emeritus, Professor of Law, Emeritus, und Professor of Political Science (by courtesy), Emeritus.[4]

Leben und akademischer Werdegang

Gerhard Casper wuchs als Sohn eines Schokoladengroßhändlers in Hamburg auf.[5] Er studierte Rechtswissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, der Yale University und der Universität Hamburg. 1964 wurde er mit der Arbeit Juristischer Realismus und politische Theorie im amerikanischen Rechtsdenken bei Erik Wolf und Horst Ehmke an der Universität Freiburg promoviert.[6]

Von 1964 an lehrte er in den USA, zunächst als Assistenzprofessor für Politikwissenschaften an der University of California, Berkeley, dann als Professor für Jura und Politikwissenschaften an der University of Chicago, an der er zwischen 1989 und 1992 als Provost fungierte. Von 1979 bis 1987 war er Dean der Law School der University of Chicago. Von 1992 bis 2000 war er Präsident der Stanford University.

Er hat mehrere Ehrendoktorate erhalten unter anderem von der Yale University, der Universität Uppsala und der Handelshochschule Leipzig. Er ist Mitglied der American Academy of Arts and Sciences.

Caspers Forschungsinteressen liegen in den Bereichen Verfassungsrecht, Verfassungsgeschichte, Vergleichende Rechtswissenschaft und Rechtstheorie. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht und war von 1977 bis 1990 Herausgeber des The Supreme Court Review. Zudem nimmt Casper an öffentlichen bildungs- und hochschulpolitischen Debatten in Deutschland und den USA teil.[7]

Casper ist verheiratet mit Regina Casper, die Professorin für Psychiatrie, unter anderem an der University of Chicago, war.[8] Das Ehepaar hat eine Tochter.[9] Caspers Neffe ist der Rechtswissenschaftler Matthias Casper.

Präsident der Stanford University

1992 wurde Casper der neunte Präsident der US-amerikanischen Stanford University in Kalifornien. Während seiner Präsidentschaft ging er eine Vielzahl von Neuerungen an der Universität an, vom Wiederaufbau des Campus nach dem Loma-Prieta-Erdbeben 1989 über Innovationen im Curriculum und bei Studiengängen bis Ωzur Lösung des Finanzierungskonfliktes mit der Bundesregierung der USA.[10]

Casper stabilisierte die finanzielle Situation der Hochschule. Die Hochschulverwaltung strukturierte er um und vereinfachte die Bürokratie. Durch die Integration des Alumni-Netzwerkes 1998 konnte Casper die Kontaktpflege zu Absolventen weltweit verbessern und erzielte damit einen bedeutenden Anstieg von Spenden an die Universität.[11]

Zusätzlich verbesserte Casper während seiner Präsidentschaft die Infrastruktur auf dem Campus erheblich und lockte mit Ausschreibungen renommierte Architekten für den Bau neuer Gebäude an.[12]

Gleichzeitig führte Casper Stipendien für Graduierte ein (Stanford Graduate Fellowships), um damit die besten Doktoranden anzuziehen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Forschung unabhängig von Sponsoren zu betreiben. Zudem förderte er die Rekrutierung und Vertragsverlängerung von Fakultätsmitgliedern, die sowohl in der Forschung als auch in der Lehre herausragende Leistungen erbracht hatten. Dies wurde durch Forschungszuschüsse für Juniorprofessoren in den drei Fakultäten, die Undergraduate-Abschlüsse verleihen, erreicht: Geowissenschaft, Ingenieurwissenschaft und Humanities & Sciences.[11]

Die von Casper eingerichtete Commission on Undergraduate Education[13] führte die erste umfassende Untersuchung der Ausbildung in Stanford seit 25 Jahren durch. Die Kommission und weitere Initiativen der Fachbereiche führten zu einem neuen Ansatz in der Lehre. Das Programm Stanford Introductory Studies (SIS) bietet eine Einführung in die Arbeit in kleinen Gruppen sowie erste Forschungserfahrungen für Studenten in den ersten zwei Studienjahren.

Während seiner Zeit als Präsident erhielt die Universität eine Rekordzahl an Bewerbungen und die höchste Quote an Einschreibungen der zugelassenen Studenten. Sieben Wissenschaftler der Universität erhielten in dieser Zeit Nobelpreise.[14]

1993 wählte Casper Condoleezza Rice als Provost.[15] Ihr Nachfolger war John L. Hennessy, der Casper 2000 als zehnter Präsident der Universität ablöste. Über seine Zeit als Präsident der Stanford University schrieb Casper ein Buch, Cares of the University (Stanford, CA, 1997), in dem er viele Probleme der Universitäten und des Hochschulsystems thematisierte.[16] 2014 erschien sein Buch "The Winds of Freedom: Addressing Challenges to the University" bei Yale University Press.[17]

University of Chicago

Gerhard Casper war von 1989 bis 1992 Provost der University of Chicago. Von 1979 bis 1987 war er Dean der University of Chicago Law School.[18]

American Academy in Berlin

Von August 2019 bis 24. Januar 2020 war Gerhard Casper Trustee-in-Residence der American Academy in Berlin[19], einer Kultur- und Forschungsinstitution, die den kulturellen und akademischen Austausch zwischen Deutschland und den USA fördert. Casper wurde 2000 Mitglied des Kuratoriums und diente von Juli 2015 bis Juli 2016 als Interimspräsident der Institution.[20]

Die American Academy in Berlin wurde 1994 auf Initiative des damaligen amerikanischen Botschafters in Deutschland, Richard Holbrooke, gegründet. Die unabhängige und privat finanzierte Institution mit Sitz in Berlin verschreibt sich der Pflege der langfristigen intellektuellen, kulturellen und politischen Beziehungen Deutschlands und der USA. Seit die Academy 1998 eröffnet wurde, hat sie ein weitreichendes Netzwerk in akademischen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Kreisen aufgebaut. Das interkulturelle und interdisziplinäre Umfeld und das kreative Programm haben die Academy zu einem angesehenen Zentrum werden lassen. So erklärte das deutsche Wochenmagazin Der Spiegel die American Academy in Berlin zum „wichtigsten Zentrum amerikanischen Geisteslebens außerhalb der USA“.[21]

Aufbau der neuen Technischen Universität Nürnberg

Ab 2017 gehörte Casper der Kommission zur Entwicklung der neuen Technischen Universität Nürnberg an. Dabei setzte er sich dafür ein, dass an der neuen TU Nürnberg von Anfang an großer Wert auf eine enge Verbindung von Forschung und Lehre gelegt und das digitale Lernen gefördert wird. Weiterhin strebte Casper an der TU Nürnberg ein Professoren-Studenten-Betreuungsverhältnis nach amerikanischem Vorbild an.[22]

Reden und Veröffentlichungen

Gerhard Casper ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Artikel in deutsche rund englischer Sprache. Casper spricht zu unterschiedlichen Themen im Bereich Hochschulbildung und Verfassungsrecht. Er hielt zum Beispiel eine Festrede beim Staatsakt zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts am 28. September 2001 in Karlsruhe.[23]

Auszeichnungen und Ehrungen

Casper ist Mitglied diverser renommierter akademischer Institute, unter anderem des American Law Institute, der International Academy of Comparative Law, der American Academy of Arts and Sciences, der American Philosophical Society, des Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste[24] und der American Philosophical Society. 2006 hatte er zudem den Kluge Chair in American Law and Governance der Library of Congress inne.[25] Casper hat zahlreiche Ehrendoktorwürden erhalten. Von 1980 bis 2010 wirkte Casper im Rat des American Law Institute und ist weiterhin als Emeritus involviert, 2014 erhielt er von dem Institut außerdem eine Auszeichnung für hervorragende Dienste.[26]

2016 benannte die Stanford University zu seinen Ehren einen Komplex von Studentenwohnheimen in Gerhard Caspers Quad um.[27]

Von 2000 bis 2008 diente er als Trustee der Yale University[28]. Er war von 2010 bis 2016 Vorsitzender des Rats der Terra Foundation for American Art[29]. Er ist Treuhänder der Central European University in Budapest, Vorsitzender des Internationalen Rates des Israel Democracy Institute[30] und Mitglied des Internationalen Beirats der Europäischen Universität Sankt Petersburg,[31] sowie der Koç University, Istanbul.[32]

Schriften

  • Juristischer Realismus und politische Theorie im amerikanischen Rechtsdenken. Duncker & Humblot, Berlin 1967, ISBN 3-428-00294-6.
  • Redefreiheit und Ehrenschutz – Anmerkungen zu den Grundlagen der neueren amerikanischen und deutschen Rechtsprechung. Müller, Karlsruhe 1971, ISBN 3-7880-0038-4.
  • mit Richard A. Posner: The Workload of the Supreme Court. American Bar Foundation, Chicago 1976, ISBN 0-910058-78-4.
  • mit Hans Zeisel: Der Laienrichter im Strafprozess. Müller, Karlsruhe 1979, ISBN 3-8114-4077-2.
  • Separating Power. Essays on the Founding Period. Harvard University Press, Cambridge MA 1997, ISBN 0-674-80140-7.
  • Cares of the University. Five-Year Report to the Board of Trustees and the. Academic Council of Stanford University. Stanford CA 1997, OCLC 58947857.
  • Die Karlsruher Republik. In: Zeitschrift für Rechtspolitik. Mai 2002.
  • als Herausgeber mit Arnulf Melzer: Wie gestaltet man Spitzenuniversitäten? Antworten auf internationale Herausforderungen. Bachem, Köln 2001, ISBN 3-7616-1513-2.
  • The Winds of Freedom: Addressing Challenges to the University. Yale University Press, New Haven 2014, ISBN 978-0-300-19691-7.
Commons: Gerhard Casper – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Elisabeth Binder: American Academy Berlin: Michael P. Steinberg, der neue Präsident, stellt sich vor. In: Tagesspiegel. 1. April 2016, abgerufen am 23. August 2019.
  2. https://cddrl.fsi.stanford.edu/people/gerhard_casper Webseite des Freeman Spogli Institute for International Studies
  3. https://siepr.stanford.edu/people/gerhard-casper Webseite des Stanford Institute for Economic Policy Research
  4. https://gcasper.stanford.edu/
  5. "Ich war sehr von Wilhelm von Humboldt beeinflusst" In: ZEITmagazin, Nr. 37/2019, 4. September 2019, abgerufen am 19. September 2025.
  6. Juristischer Realismus und politische Theorie im amerikanischen Rechtsdenken bei Duncker und Humblot
  7. zeit.de
  8. Gerhard and Regina Casper Website der Carl Heidenreich Foundation, abgerufen am 19. September 2025.
  9. Gerhard Casper: Der Einwerber In: Wissenschaft.de, 1. Januar 2000, abgerufen am 19. September 2025.
  10. Don Kazak: Casper: Time for a 'fresh perspective'. In: paloaltoonline.com. 17. September 1999, abgerufen am 23. August 2019.
  11. a b Elaine Ray: Casper to step down as university president Aug. 31, 2000:9/99 (Memento vom 28. Juni 2021 im Internet Archive) in news.stanford.edu
  12. alumni.stanford.edu
  13. gcasper.stanford.edu (PDF; 743 kB)
  14. alumni.stanford.edu
  15. Casper selects Condoleezza Rice to be next Stanford provost (Memento vom 11. August 2011 im Internet Archive), Stanford News Service vom 19. Mai 1993
  16. Stanford University: Cares of the University by Gerhard Casper. In: web.stanford.edu. Abgerufen am 23. August 2019.
  17. The Winds of Freedom bei Yale University Press
  18. https://provost.uchicago.edu/directory/gerhard-casper
  19. Elisabeth Binder: Zwist in der American Academy: Präsident McCarthy gibt nach wenigen Monaten auf. In: Tagesspiegel. 22. Mai 2019, abgerufen am 31. Januar 2024.
  20. americanacademy.de (Memento vom 9. Dezember 2014 im Internet Archive) (PDF).
  21. Jan Fleischhauer: GEISTESLEBEN Der Netzwerker. In: Der Spiegel. Nr. 27, 2008 (online).
  22. „Elite-Präsident: Was Nürnberg von Stanford lernen kann. Ehemaliger Stanford-Kopf plant die neue Technische Universität.“ auf nordbayern.de vom 15. August 2018; abgerufen am 19. August 2018
  23. https://web.stanford.edu/group/gcasper_project/cgi-bin/files/papers/karlsruhe.pdf Text von Gerhard Caspers Festrede beim Staatsakt zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts am 28. September 2001 in Karlsruhe
  24. orden-pourlemerite.de
  25. loc.gov
  26. ali.org
  27. Kathleen J. Sullivan: Stanford to rename Manzanita Park residence to honor Gerhard Casper’s lasting legacy. In: Stanford Report. 24. Mai 2016, abgerufen am 20. September 2025 (englisch).
  28. news.yale.edu
  29. terraamericanart.org (Memento vom 8. Dezember 2015 im Internet Archive)
  30. en.idi.org.il
  31. eu.spb.ru (Memento vom 8. Dezember 2015 im Internet Archive)
  32. ku.edu.tr (Memento vom 8. Dezember 2015 im Internet Archive)