Fengur

Der Fengur (isländisch für „Beute“, „Fang“) ist ein isländisches magisches Zeichen, das in einigen Grimoires aus dem 19. Jahrhundert abgebildet und erklärt wird. Er gehört zu den sogenannten Galdrastafir (isländisch Plural von galdrastafur: „Zauberstäbe“, „Zauberzeichen“). Erstmals ist der Fengur im Huld-Manuskript, einem Grimoire von 1860, zu finden. Es handelt sich um ein Fruchtbarkeitssymbol, das angeblich einem Mann helfen soll, ein Mädchen durch ihn zu schwängern. Das Zeichen wird auch noch in weiteren Sammlungen mit magischen Zeichen abgebildet und seine Wirkungsweise erklärt.
Vorkommen
Huld-Manuskript 1860
Der erste bekannte historische Nachweis findet sich im Huld-Manuskript. Der Inhalt wurde 1860 von dem isländischen Gelehrten Geir Vigfússon (1813–1880)[1] in Akureyri zusammengestellt.[2] Die Handschrift enthält insgesamt 30 in römischen Zahlen durchnummerierte Symbole. Die Seite 56 zeigt die Abbildung des Vengur unter der Nummer XV.[3]
Unter der Abbildung des Fengur ist die Wirksamkeit des Symbols beschrieben. Die mit Großbuchstaben geschriebenen Wörter sind mittels Vertauschungsmethode verschlüsselt und somit nicht für jedermann entzifferbar. Jeder Großbuchstabe ersetzt nach einer bestimmten Festlegung den richtigen Buchstaben. Beispiele: Æ = ö, B = d, D = b, O = þ, X = a.[4]
Verschlüsselter Satz: „Viljir þú að píka verði DXSMRKXZXMBL XZ YÆIBVN OLM þa sker stafi þessa á ÞRGKICLZ og gef henni að eta.“
Entschlüsselter Satz: „Viljir þú að píka verði barnshafandi af völdum þin þa sker stafi þessa á osthleif og gef henni að eta.“
Übersetzung mit Kursivschreibung der verschlüsselten Wörter:
„Willst du, dass ein Mädchen von dir schwanger wird, dann schneide dieses Zeichen in einen Käselaib ein und gib ihn ihr zu essen.“
Galdrakver-Manuskript – 1868/69

Ein Abbildung und Beschreibung des Fengur ist auch im isländischen Galdrakver-Manuskript („galdrakver“ isländisch „Zauberer“) zu finden, das in den Jahren 1868/69 von Olgeir Geirsson (1842–1880)[5], Geir Vigfússons Sohn,[6] angefertigt wurde. Als Verfassungsort gilt ebenfalls wieder Akureyri.
Dieses Grimoire umfasst 112 Seiten und hat 253 durchnummerierte Abbildungen. Auf den ersten elf Seiten sind in einem Register die Abbildngen aufgelistet. Der Fengur ist auf der Seite 21 mit der Symbolnummer 16 abgebildet.[7] Drei Wörter in der Beschreibung sind mit mittelalterlichen Runen geschrieben. Die Handschrift wurde auf blauem Papier verfasst.
Satz mit Übertragung der Runen und Übersetzung (Runen-Wörter in Übersetzung in Kursivschrift):
„Viljir þú látá Stúlka verða barnshafanti af þinum vøldum, – þa rist thennan staf áll ost eða braut og gef henni.“ –
„Willst du, dass ein Mädchen durch dich schwanger wird, dann ritze dieses Zeichen in Käse oder Brot und gib es ihr.“
Galdrakver-Manuskript – 19. Jahrhundert

Ein weiteres isländisches Galdrakver-Manuskript mit gleichem Namen zeigt ebenfalls eine Abbildung des Fengur. Die Handschrift wurde von drei unbekannten Schreibern mit im 19. Jahrhundert verfasst; eine genauere Datierung ist jedoch nicht ermittelbar.[8][2] Der genaue Verfassungsort ist unbekannt. Jedoch ist ebenfalls sicher, dass dieses Galdrakver-Manuskript in der Gegend des Eyjafjörður verfasst wurde, wobei Akureyri – der Abfassungsort des Huld-Manuskripts – direkt am Beginn dieses Fjords liegt.[2]
Das Galdrakver-Manuskript der unbekannten Verfasser umfasst 62 beschriebene Seiten, die ohne Angaben von Seitenzahlen sind. Der Fengur ist auf der 37. beschrifteten Seite.[9]
Beschreibung des Fengur – Satz mit Übersetzung:
„Viljir þú að konu verði barnshafandi af völldum þinum þa rest þennam staf á ost og gef henni að eta.“
„Willst du, dass eine Frau von dir schwanger wird, dann ritze dieses Zeichen in Käse und gib ihn ihr zu essen.“
Galdrastafir-Manuskript I – vor 1915

Von dem isländischen Pfarrer und Schriftsteller Jónas Jónasson (1856–1918)[10] sind vier Manuskripte, die er jeweils mit „Galdastrafir“ bezeichnet, mit den isländischen magischen Zeichen erhalten. Die Abbildungen sind über die vier Manuskripte hinweg bis 430 durchnummeriert. Zwei weitere Manuskripte enthalten ausschließlich Erklärungen zu den in den ersten vier Handschriften bildlich dargestellten Zeichen. Im ersten Galdrastafir-Manuskript sind auf 36 beschriebenen Seiten (Rückseiten sind alle unbeschriftet) 179 magische Symbole abgebildet und erklärt. Unter Nummer 85 ist der Fengur aufgeführt.[11]
Beschreibung des Fengur – Satz mit Übersetzung:
„Viljír þú að stúlka ólétt méð þér, þá rist þennan staf á ostbita og gef henni að eta. Stafusinn heitir Fengur.“
„Willst du, dass ein Mädchen von dir schwanger wird, dann ritze dieses Zeichen in ein Stück Käse und gib es ihr zu essen. Das Zeichen heißt Fengur.“
Literatur
- Alessia Bauer / Alexandra Pesch: Guidance from ancient symbols: Vegvísir, Ægishjálmur and other galdramyndir. In: Wilhelm Heizmann, Jan Alexander van Nahl (Hrsg.): Germanisches Altertum und Europäisches Mittelalter – Gedenkband für Heinrich Beck (= Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde). Band 142. De Gruyter Brill, Berlin, Boston 2023, ISBN 978-3-11-077826-7, S. 33–54, doi:10.1515/9783110778335-004 (amerikanisches Englisch, 559 S.).
- Ólafur Davíðsson: Isländische Zauberzeichen und Zauberbücher, in: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 13, Berlin 1903, S. 150–167 und S. 267–279; speziell zum Huld-Manuskript und Fengur (Davíðsson bezeichnet es „Feingur“), S. 159–160 sowie S. 278 und Abbildung XLIV.
- Mila Fois: Galdrastafir. I Magici Sigilli d'Islanda, 2018, ISBN 978-1-983-18150-4.
- Tim Nilsen: Symbole der Wikinger – Mythos und Wahrheit. Eine Enthüllung der isländischen Magie, ihren Wurzeln und der Irrglaube in der heutigen Zeit, Thalheim bei Wels 2024, ISBN 978-3-384-34424-3.
Weblinks
- Wikinger-Symbole, die keine sind – YouTube-Video vom 17. April 2021 (20" 33')
- Justin Foster: The Huld Manuscript - ÍB 383 4to. A modern transcription, decryption and translation, Juni 2015
- Justin Foster: Galdrastafir. Icelandic Magical Staves
- Tomáš Vlasatý: Origins of the “vegvísir” symbol, 5. April 2019 – Seitenangaben gemäß der PDF-Datei
- The Icelandic Web of Science: What is the oldest example of an Icelandic grimoire?
- Abbildungen und Bescheibungen von über 20 Galdrastafir (auch Fengur)
- Abbildungen und Beschreibungen zu etwa 70 Galdrastafir (auch Fengur; hier unter der Bezeichnung „Feingur“)
Einzelnachweise
- ↑ Lebensdaten von Geir Vigfússon
- ↑ a b c Vlasatý, S. 2
- ↑ Seiten 56 und 57 im Huld-Manuskript
- ↑ Foster, Huld Manuscript, S. ii
- ↑ Lebensdaten von Olgeir Geirsson
- ↑ Fosters Tumblr-Eintrag vom 30. August 2016; Bauer/Pesch, S. 37
- ↑ Ansicht der gesamten Seiten 20 und 21 im Galdrakver-Manuskript von 1868/69
- ↑ Beschreibung der Handschrift der unbekannten Verfasser
- ↑ Seiten 36 und 37 im Galdrakver-Manuskript aus dem 19. Jahrhundert
- ↑ Lebensdaten von Jónas Jónasson
- ↑ Abbildungen 84 bis 87 im Galdastrafir-Manuskript I