Emily Anderson

Emily Anderson, OBE (* 17. März 1891 in Galway, Irland; † 26. Oktober 1962 in Hampstead, London) war eine irische Gelehrte deutscher Abstammung. Sie arbeitete fast 30 Jahre als Kryptoanalytikerin an der British Government Code and Cipher School (GC & CS). Daneben war sie eine international renommierte Mozart- und Beethoven-Forscherin.

Leben

Anderson war eine Tochter des Physikers Alexander Anderson und dessen Frau Emily Gertrude Binns. Sie erhielt eine private Ausbildung und gewann 1909 und 1910 das Browne-Stipendium am Queens College Galway, wo sie 1911 ihren Bachelor of Arts (B.A.) erhielt. Nach weiteren Studien an Universitäten in Berlin und Marburg lehrte sie zwei Jahre am Queen’s College auf Barbados. 1917 kehrte sie nach Galway zurück, wo sie zur ersten Professorin für Deutsch am University College Galway ernannt wurde.

Im Herbst 1917 wurde Anderson gebeten, der Kryptoanalyse-Abteilung des britischen Kriegsministeriums beizutreten. Im Juli 1918 zog sie daraufhin nach London, um dort ihren Dienst anzutreten. Ihre Professoren-Stelle gab sie für die Dauer des Krieges auf und kehrte 1919 nach Cork zurück, um ihre akademische Laufbahn fortzusetzen. Schon am 10. Januar 1920 nahm sie ihre Karriere bei GC & CS wieder auf, unter der Tarnung, sie arbeite im Auswärtigen Amt.

In den 1930er Jahren arbeitete Anderson mit Dillwyn Knox an der Entschlüsselung ungarischer Codes. Sie betreute auch Codeknacker wie Wilfred Bodsworth und Josh Cooper.

Im August 1939 zogen Anderson und ihr Team von London nach Bletchley Park. Im Mai 1940 bat sie darum, näher am Abhörpunkt italienischer Signale zu sein, um diese schneller entschlüsseln zu können. Anderson und ihre Kollegin Dorothy Brooks reisten nun per Schiff nach Durban in Südafrika und dann über Land nach Heliopolis in Kairo. Dort entschlüsselte ihr Team italienische Nachrichtendienste.

Im Juli 1943 wurde Anderson von König Georg VI. für ihre „Verdienste um die Streitkräfte und im Zusammenhang mit militärischen Operationen“ mit dem Order of the British Empire ausgezeichnet.

Im Mai 1943 kehrte sie nach London zurück, um in den Büros von GC & CS in der Berkeley Street an deutschen und ungarischen diplomatischen Codes zu arbeiten. Sie blieb dort bis zu ihrer Pensionierung im November 1950.

Neben ihrer geheimdienstlichen Tätigkeit profilierte sich Emily Anderson als Musikwissenschaftlerin und Übersetzerin. Ihre erste größere Arbeit war die Übersetzung von Benedetto Croces Buch über Goethe, die 1938 erschien. Außerdem gab sie die Briefe Mozarts und Beethovens in englischer Sprache heraus.

Für ihre dreibändige Ausgabe der Beethoven-Briefe wurde sie 1961 mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse ausgezeichnet.

Werke

Bücher

  • The Letters of Mozart and His Family, hrsg. von Emily Anderson, 3 Bände, London: Macmillan 1938
  • The Letters of Beethoven, hrsg. von Emily Anderson, 3 Bände, London: Macmillan & Co Ltd, New York: St Martin’s Press 1961

Aufsätze

  • An Unpublished Letter of Mozart, in: Music and Letters, Jg. 18 (1937), S. 128–133
  • Two Letters from Beethoven to Prince Nikolas Galitzin, in: Festschrift Joseph Schmidt-Görg zum 60. Geburtstag, hrsg. von Dagmar Weise, Bonn: Beethoven-Haus 1957, S. 4–9
  • Beethoven: A Missing Album, in: The Musical Times, Jg. 103 (1962), S. 34
  • Charles Neate: A Beethoven Friendship, in: Festschrift Otto Erich Deutsch zum 80. Geburtstag am 5. September 1963, hrsg. von Walter Gerstenberg, Kassel: Bärenreiter 1963, S. 196–202

Literatur

  • Jackie Ui Chionna, Queen of Codes: The Secret Life of Emily Anderson, Britain’s Greatest Female Code Bracker, Headline Book Publishing 2024, 432 Seiten; ISBN 978-1-4722-9550-7