Charles-Jean-Marie Alquier
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Charles-Jean-Marie Baron Alquier (* 13. Oktober 1752 in Talmont (heute Talmont-Saint-Hilaire, Département Vendée); † 4. Oktober 1826 in Paris) war ein französischer Staatsmann und Diplomat. Er war ein einflussreiches Mitglied des Nationalkonvents und Teilnehmer an den wichtigsten Ereignissen der Revolutionszeit. Unter Napoleon Bonaparte verfolgte er eine erfolgreiche Diplomatenkarriere.
Leben
Politische Laufbahn während der Französischen Revolution
Der Baron Charles-Jean-Marie Alquier studierte bei den Oratorianern sowie Jurisprudenz und wurde Advokat des Königs am Präsidialgericht von La Rochelle sowie königlicher Staatsanwalt (procureur du roi) beim Schatzamt. Nachdem der Bischof von La Rochelle, François-Emmanuel de Crussol d’Uzès, das Edikt König Ludwigs XVI. vom November 1787, das den Protestanten wieder die rechtliche Feststellung ihres Personenstands ermöglichte, heftig angegriffen hatte, verurteilte Alquier den Hirtenbrief des Prälaten und erreichte dessen Aufhebung durch einen Parlamentsbeschluss. Aufgrund dieses Erfolgs wurde er am 25. April 1788 zum Bürgermeister von La Rochelle gewählt. Anlässlich der bevorstehenden Einberufung der Generalstände trat er am 29. Dezember 1788 in einer Rede für die Rechte des Dritten Standes ein, indem er daran erinnerte, dass La Rochelle bei den Generalständen von 1614 einen Deputierten als Vertreter des Adels und drei Deputierte als Vertreter des Dritten Stands entsandt hatte. Diese Haltung brachte ihm am 26. März 1789 seine Wahl zum Abgeordneten des Dritten Stands in den Generalständen für die Landschaft Aunis ein.
In den Generalständen trat Alquier als Verfechter liberaler Ideen auf, ließ den reaktionären Hirtenbrief des Bischofs von Tréguier, Augustin-René-Louis Le Mintier, verurteilen und erreichte, dass der Hirtenbrief des Bischofs von Angers, Michel-François de Couët du Vivier de Lorry, gedruckt und an die Départements verschickt wurde. Ferner war er Mitglied des Komitees für die Kolonien, wurde mit mehreren Missionen in den Départements betraut und am 13. Juli 1790 zum Sekretär der Konstituante gewählt.
Bei der Flucht des Königs aus Paris (Juni 1791) war Alquier einer der drei Kommissare, die in die Départements Pas-de-Calais und Nord geschickt wurden, um einem etwaigen Aufstandsversuch der dort stationierten Truppen vorzubeugen. Er trug auch zum Beschluss vieler nützlicher Maßnahmen bei, die auf die Aufrechterhaltung der Ruhe im Land und die Einhaltung der von der Nationalversammlung verabschiedeten Gesetze abzielten. Nach der Auflösung der Nationalversammlung wurde er zum Präsidenten des Strafgerichts des Départements Seine-et-Oise ernannt. Er verwaltete dieses Amt, als von Orléans überstellte Gefangene, die Gegner der Französischen Revolution waren, im September 1792 in Versailles ankamen. Er tat wenig für deren Rettung, und sie wurden im Rahmen der Septembermassaker ermordet.
Um dieselbe Zeit, am 8. September 1792, wurde Alquier durch das Département Seine-et-Oise zum Deputierten des Nationalkonvents gewählt. Bald nach seinem Eintritt in diese Versammlung, als es in Lyon wegen der Gewalttaten Joseph Chaliers zu Unruhen kam, wurde er mit Boissy d’Anglas und Louis Vitet in diese Stadt geschickt und stellte für den Augenblick die Ruhe wieder her. Nach seiner Rückkehr in den Konvent nahm er am Prozess gegen Ludwig XVI. teil und stimmte für dessen Verurteilung zum Tod. Dabei beantragte er jedoch, dass die Vollziehung des Urteils, falls keine fremde Macht zum Vorteil des Königs einen Einfall mache, bis zum Eintritt eines allgemeinen Friedens verschoben würde; dann könne die Todesstrafe auch in eine andere umgewandelt werden.
Alquiers Einfluss auf die Gesetzgebung nahm seitdem in dem Verhältnis ab, als er selbst das gewalttätige Treiben der radikalen Revolutionäre immer stärker missbilligte. Nach dem Sturz Robespierres am 9. Thermidor (27. Juli 1794) sprach er sich im Oktober 1794 mit Nachdruck gegen die von General Louis Marie Turreau begangenen Gräueltaten bei der Bekämpfung des Vendée-Aufstands aus. Als er die Spaltung zwischen dem Nationalkonvent und der reaktionären Faktion nahen sah, setzte er sich geschickt mit beiden Parteien ins Einverständnis. Im Dezember 1794 begab er sich zur Nordarmee und beteiligte sich an der Verwaltungsorganisation des neueroberten Holland. Nach dem Sturz des Konvents trat er in den Rat der Alten, der ihn am 21. März 1795 zu seinem Sekretär wählte.
Diplomatische Karriere
Im Mai 1798 legte Alquier sein Amt als Sekretär des Rats der Alten nieder, um künftig eine Diplomatenkarriere zu verfolgen. Zunächst wurde er Generalkonsul in Tanger. Zwei Monate später ernannte ihn das Direktorium zum Geschäftsträger am Hof des bayrischen Kurfürsten in München. Viel Aufsehen erregte damals Alquiers Schrift, in der er seine Regierung gegen den Vorwurf, sie würde in Württemberg und Bayern revolutionäre Bewegungen unterstützen, verteidigte. Zur Zeit der blutigen Auflösung des Rastatter Kongresses kehrte er nach Frankreich zurück und verwaltete ab dem 1. Oktober 1799 nur kurzzeitig die Generaleinnahmen der Finanzen des Départements Seine-et-Oise, da ihm die Diplomatenlaufbahn mehr lag.
Nach der Einrichtung der Regierung des Konsulats, die Napoleon Bonaparte die Herrschaft über Frankreich verschaffte, wurde Alquier als Botschafter nach Madrid entsandt. In dieser Eigenschaft leitete er die Verhandlungen, durch die die Toskana an Frankreich abgetreten wurde. Er schenkte auch dem Privatleben König Karls IV. und seiner Gattin Maria Luisa großes Interesse und berichtete darüber mit negativen Übertreibungen. Demnach soll sich der König kaum Zeit für Gespräche mit seinen Ministern genommen haben und Maria Luisa als politisch äußerst einflussreiche Persönlichkeit die Interessen der spanischen Monarchie ihren extravaganten Vorlieben und skandalösen Launen geopfert haben.
Gegen Ende 1800 wurde Alquier als französischer Botschafter in Madrid durch Lucien Bonaparte ersetzt und ging im Februar 1801 als bevollmächtigter Gesandter nach Florenz, um mit dem Hof von Neapel einen Friedensvertrag auszuhandeln. Er erreichte, dass das Königreich Neapel durch das Abkommen vom 28. März 1801 den ihm gehörigen Teil der Insel Elba an Frankreich abtrat. Daraufhin wurde er Botschafter in Neapel, wo er energisch auftrat und 1804 bei König Ferdinand IV. die Absetzung des Premierministers John Acton durchsetzte, der während offiziellen Gesprächen respektlos über Frankreich gesprochen hatte. Als Ende 1805 die englisch-russische Flotte und Armee in die Häfen des Königreichs Neapel eingelassen wurden, verließ er seinen Gesandtschaftsposten und reiste ab, ohne sich vom König zu verabschieden; dabei nahm er auch alle zum diplomatischen Korps gehörigen Franzosen mit.
Alquier war am 14. Juni 1804 zum Kommandeur der Ehrenlegion ernannt worden. Napoleon war mit seinem entschiedenen Auftreten als Gesandter zufrieden und ernannte ihn zum Nachfolger von Kardinal Joseph Fesch als Botschafter beim Heiligen Stuhl. Alquier trat diesen Posten am 10. April 1806 an. Er sollte die von seinem Vorgänger begonnenen Bündnisverhandlungen mit Papst Pius VII. fortführen, der indessen entschieden die weltlichen Rechte der Kirche verteidigte. Nach Ansicht Napoleons ging Alquier bei den Unterhandlungen in Rom zu nachgiebig vor. Nach seiner Rückberufung nach Paris im Februar 1808 warf Napoleon ihm vor, dass er sich in Rom Ablass habe verdienen wollen. Der geistreiche Diplomat erwiderte: „Ich habe dergleichen noch von Niemandem anders als von Eurer Majestät nötig gehabt.“
Trotz seines Missfallens über Alquiers Verhandlungsführung mit dem Heiligen Vater ernannte Napoleon ihn am 28. Mai 1809 zum Ritter des Kaiserreichs. 1810 wurde Alquier vom Kaiser als bevollmächtigter Gesandter mit dem Auftrag nach Schweden geschickt, den Stockholmer Hof zur strikten Einhaltung der Kontinentalsperre zu bewegen. Indessen befolgte Schweden diese Wirtschaftsblockade gegen Großbritannien nicht lange, da dieses Land ein großer Absatzmarkt für schwedische Produkte war. Mit dem gleichen diplomatischen Titel ging Alquier 1811 nach Kopenhagen, wo er durch seine drohende Haltung den dänischen Hof 1813 zum Abschluss eines Offensiv- und Defensivbündnisses mit Frankreich bewog. Dänemark erklärte Schweden den Krieg und blieb bis zum Sturz Napoleons 1814 ein treuer Alliierter des Kaiserreichs.
Spätes Leben und Tod
Im Juni 1814 berief der in Frankreich nach Napoleons Fall an die Macht gelangte König Ludwig XVIII. Alquier von dessen Gesandtschaftsposten in Dänemark ab. Alquier zog sich nun ins Privatleben zurück. Zwar wurde er reich beschenkt, aber durch das Gesetz vom 12. Januar 1816 wegen seines Votums für die Hinrichtung Ludwigs XVI. verbannt. Alquier ging ins Exil nach Belgien und lebte in Vilvoorde nahe Brüssel. Im Januar 1818 durfte er auf das Bittgesuch seines ehemaligen Kollegen im Nationalkonvent, Boissy d’Anglas, mit königlicher Erlaubnis nach Frankreich zurückkehren. Allen politischen Treibens fremd geworden, starb er am 4. Oktober 1826 im Alter von knapp 74 Jahren in Paris.
Literatur
- Alquier, Charles Jean Marie, in. Biographical Dictionary of the Society for the Diffusion of Useful Knowledge, Bd. 2, London 1843, S. 322 f.
- Alquier (Charles-Jean-Marie, baron), in. Nouvelle biographie générale, Bd. 2, Paris 1852, Sp. 215 f.
Weblinks
- Charles-Jean-Marie Alquier, auf der Website der Assemblée nationale