Carl Sittler
Carl Boromäus Sittler (* 16. Juli 1882 in Marzoll; † 22. Februar 1963 in Passau) war ein deutscher Kommunalpolitiker. Er war von 1919 bis 1933 sowie im Jahre 1945 Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister der Stadt Passau.
Biographie

Carl Sittler entstammt einer in Marzoll ansässigen Lehrerfamilie. Er machte sein Abitur an einem Rosenheimer Gymnasium, danach studierte er Rechts- und Verwaltungswissenschaft an den Universitäten München und Erlangen und promovierte 1909 mit der Arbeit „Das Vormundschaftsrecht in der Gesetzgebung Maximilians I.“ zum Dr. iur. Sittler war seit dem Studium Mitglied der katholischen Studentenverbindungen K.St.V. Ottonia München und K.St.V. Rhenania Erlangen.
Politische Karriere
Zwei Jahre nach seinem Studium heiratete er die verwitwete Anna Neuert geb. Leitner, eine Lehrerstochter aus Treuchtlingen, die in die Ehe den Sohn Josef Neuert mitbrachte. Mit ihr zog er nach Passau, wo er kurz darauf Leiter des sozialen Volksbüros wurde. 1914 verlieh man ihm das Passauer Bürgerrecht und Ende desselben Jahres wurde er als Gemeindebevollmächtigter in das Gemeindekollegium (damals die Zweite Kammer der Stadt) gewählt. Dies wiederum wählte ihn am 27. Januar 1915 zu seinem Vorsitzenden.1916 wurde er Leiter des Kommunalverbandes Passau, im Januar 1919 wählten ihn die Abgeordneten des Gemeindekollegiums mit 32 von 33 Stimmen zum 1. Bürgermeister und am 30. Juli wurde er darüber hinaus zum Präsidenten des niederbayerischen Kreistags (mit Sitz in Landshut), dessen Abgeordneter er kurz zuvor geworden ist, gewählt. Als Mitglied des Eisenbahnrates war er außerdem in der Landespolitik aktiv. 1927 verlieh ihm das Bayerische Innenministerium den Titel „Oberbürgermeister“, zwei Jahre darauf wurde er von den Passauern als 1. Bürgermeister wiedergewählt.
Als am 27. April 1933 der Passauer Stadtrat einstimmig Max Moosbauer zum „ersten ehrenamtlichen“ Bürgermeister wählte, erhielt Sittler den Titel des „zweiten berufsmäßigen“ Bürgermeisters. Am 1. Mai 1935 erklärte Sittler seinen Beitritt zur NSDAP, erhielt aber angeblich nie ein Mitgliedsbuch als Aufnahmebestätigung.
Sittler wurde außerdem als Präsident des niederbayerischen Kreistags abgelöst. Trotz seiner Zurückstufung ist es Sittler im Jahr 1945, gegen Ende des Krieges, gelungen, Passau vor einem Bombardement zu bewahren. Nachdem der 1. Bürgermeister und NSDAP-Kreisleiter Max Moosbauer, am 9. April „wegen der Überlastung mit wehrpolitischen Aufgaben“ de facto von seiner Position zurücktreten musste, war erneut Sittler am Zug.
Am 2. Mai 1945 unterzeichneten im Hotel „Passauer Wolf“ Carl Sittler, Oberstleutnant Erwin Brandl und Major Friedrich Limbacher die bedingungslose Kapitulation. Passau wurde Captain Raymond Coward von der US Army übergeben.
Zwei Tage später wurde er von den Besatzern wieder als Oberbürgermeister eingesetzt, obwohl er sie darauf hinwies, er sei (zwar kein aktives, aber immerhin) Parteimitglied der NSDAP gewesen.
Nachkriegszeit
Seine erneute Amtszeit dauerte allerdings nicht lange an: Sittler wurde am 13. Juli 1945 vom Counter Intelligence Corps, einem Nachrichtendienst der U.S. Army, verhaftet. Man reagierte damit auf (wie sich im Nachhinein herausstellen sollte unwahre) Denunzierungen Sittlers aus den Reihen der Bevölkerung, vermutlich von seinen politischen Gegnern. Der festgenommene Oberbürgermeister wurde als politischer Häftling ins Lager Pocking (danach in die Lager Natternberg und Straubing) überstellt. Die Unbegründetheit dieser Maßnahme verdeutlicht unter anderem, dass Sittler im März 1933 „zunächst die Hakenkreuzfahne nicht am Rathaus dulden [wollte].“ Doch trotz aller Entlastungsversuche kam er erst zwei Jahre später, am 3. März 1947, wieder frei. Im Jahr darauf wurde er von der Spruchkammer als „Mitläufer“ eingestuft. Im Spruchkammerakt vom 10. Juni 1948 hieß es dazu unter anderem: „Er durfte nicht gehen, weil die Stadt ihn brauchte. Er mußte die Stellung für seine politischen Freunde halten, um zu retten, was noch zu retten war … Er hat in der Rassenfrage eine bewußt gegnerische Haltung eingenommen und Juden und Halbjuden gefördert und beschützt … Der Betroffene ist Mitläufer, weil er mehr als nominell am NS teilgenommen und ihn nur unwesentlich unterstützt hat. Daran können die Aussagen der Belastungszeugen nichts ändern.“
Auch privat war das Jahr 1945 für Sittler ein schweres Jahr, sein Sohn Karl (* 1912) fiel am 24. April 1945 im Osten, sein zweiter Sohn Ludwig (* 1913), der als Lazarettarzt tätig war, starb am 13. Mai 1945 an den Folgen einer tödlichen Krankheit in Schrobenhausen.
Sittler wurde am 1. Juli 1948 wieder offiziell in den Dienst aufgenommen und erhielt gleichzeitig seine Versetzung in den Ruhestand. 1950 starb seine Ehefrau Anna.
Sittler wurde 1952 Ehrenbürger der Stadt Passau und erhielt 1961 den Bayerischen Verdienstorden. Sein Name steht auf dem Ehrenmal der Stadt Passau auf dem Innstadtfriedhof. Er starb am 22. Februar 1963 mit 81 Jahren an Herzversagen.
Nach ihm ist die Dr.-Sittler-Straße in Passau-Haidenhof benannt.
Literatur
- Otto Geyer: Die Bürgermeister der Stadt Passau seit 1803. In: Ostbairische Grenzmarken. Bd. 8, 1966, S. 116.
- Carl Sittler: Erinnerungen. In: Ostbairische Grenzmarken. Bd. 2, 1958, S. 9–25.
- Reinhold Plenk: Dr. Carl Boromäus Sittler – Ein Passauer Oberbürgermeister in schwerer Zeit. In: Ostbairische Lebensbilder (= Neue Veröffentlichungen des Instituts für Ostbairische Heimatforschung. Bd. 54). Klinger, Passau 2005, ISBN 3-932949-41-2, S. 130–144.
- Anna Rosmus: Ragnarök. Dorfmeister, Tittling 2010, ISBN 978-3-9810084-8-7, S. 287: am 30. März 1933 unterzeichnete Carl Sittler eine Ehrenbürgerurkunde für Adolf Hitler.
Weblinks
- Literatur von und über Carl Sittler im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
